Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
werden darf. Das steigerte die Neugierde der Fans erst recht ins Maßlose und hatte zur Folge, dass der Clip weltweit millionenfach heruntergeladen wurde. Die Provokations-Strategie ging einmal mehr prächtig auf.
Zunächst hieß es, Till und Co. hätten die Rollen in dem Skandal-Streifen selbst gespielt. Ende Oktober allerdings bekannte Schlagzeuger Christoph Schneider der Schweizer Zeitung
20 Minuten
, dass die Band nun mal Provokation liebt. „Wir hatten keinen Sex. Wir haben nur so getan, als ob.“ Tatsächlich wurden mit einem speziellen Computer-programm die Köpfe der Rocker auf die Körper echter Porno-Darsteller montiert.
Bassist Oliver Riedel war ziemlich erstaunt, dass der „Pussy“-Clip dermaßen hohe Wellen schlug, wie er im Interview mit der Münchner
Abendzeitung
vom 17./18. Oktober erzählte: „Ich finde es generell erstaunlich, dass man mit dem Thema Sex immer noch so stark provozieren kann, wo doch ab Mitternacht auf vielen TV-Kanälen billige pornografische Werbeangebote zu sehen sind. Wir sehen das dagegen eher künstlerisch, weil es in der Pop-Kultur oder im Pop-Video eine Grenze gibt, die man normalerweise nicht überschreitet.“ Dann äußerte er sich darüber, dass die Welt der Video-Clips, die auf MTV gezeigt würden, schon immer viel Sex enthalten hätte, dies jedoch nur genau bis zu der Grenze, die sie, Rammstein, nun überschreiten würden. Damit, so Oliver Riedel weiter, würden neue Maßstäbe gesetzt. Die Tatsache, dass Rammstein wieder im Zentrum hitziger Debatten stand, nahm er gelassen hin und fügte hinzu, dass Ehrlichkeit vor den Zuhörern das Wichtigste für ihn sei: „Aber entscheidend dürfte sein, dass wir bei allem, was wir machen, authentisch sind. Das merkt das Publikum.“
Exakt vier Wochen nach der Veröffentlichung von „Pussy“, am 16. Oktober, erblickte das sechste Rammstein-Studioalbum „Liebe ist für alle da“ das Licht der Öffentlichkeit. Wie bei sämtlichen Vorgängern waren darauf exakt elf Stücke zu finden, die Spielzeit dauerte gleichfalls wie gehabt rund 45 Minuten. Für die so ästhetische wie provokante Covergestaltung zeichnete wie zuvor bei „Rosenrot“ der junge spanische Starfotograf Eugenio Recuenco verantwortlich.
„Liebe ist für alle da“ beginnt mit dem „Rammlied“ und einem damit verbundenen sphärischem Einstieg, der kurz an gregorianische Mönchsgesänge erinnert, ehe Till Lindemann eine mit Grabesstimme – nicht ganz ernst zu nehmende – Lobeshymne auf die eigene Band und ihre treu ergebenen Fans vorträgt: „Wer wartet mit Besonnenheit/Derwird belohnt zur rechten Zeit/Nun das Warten hat ein Ende/Leiht euer Ohr einer Legende.“ Gleich darauf kracht eine fies-bösartige Gitarre los und katapultiert den geneigten Hörer mitten rein in den Rammstein-Kosmos anno 2009. Als musikalischer Kontrapunkt ertönt ein etwas verzerrt klingender Synthesizer.
„Ich tu dir weh“, Stück Nummer zwei, weist unmissverständlich darauf hin, worin es inhaltlich auf dem sechsten Rammstein-Werk bevorzugt geht: um die Liebe und dabei speziell deren körperlichem Ausdruck in zahlreichen Varianten. Bereits der Titel des Songs ist eindeutig: Hier geht es um Sado-Maso-Sex, gesehen aus der Perspektive des Täters, der von seinem Opfer berichtet, das seine Rolle aber offensichtlich selbst gewählt hat. Ein heftiger Text, der die S/M-Szene allerdings ziemlich realistisch wiedergibt. Die Musik dazu ist treibend, dabei jedoch stets harmonisch.
„Waidmanns Heil“ beginnt mit einem Halali-Fanfarenstoß nach Art der Jagd-Eröffnung, ehe das unerbittlich marschierende Schlagzeug und eine heftige Gitarre das Ohr des Hörers derbe attackieren. Der Waidmann in diesem Stück jagt allerdings kein Wild, sondern ist stattdessen auf menschliches Fleisch aus. Einmal mehr ist bei Rammstein die Grenze zwischen wüster Realität und geradezu absurdem Humor extrem schmal. Oder wie sonst soll man so obszöne wie schräge Zeilen jener Art deuten: „Der Wedel zuckt wie Fingeraal/Die Flinte springt vom Futteral/Waidmanns Heil/Ich fege mir den Bast vom Horn/Und geb ihr ein gestrichenes Korn/Waidmanns Heil.“
„Haifisch“ ist eine musikalische wie textliche Annäherung an den Brecht/Weill-Klassiker „Moritat von Mackie Messer“ aus deren legendärer „Dreigroschenoper“. Diese Verbindung ist bewusst geknüpft, das hört man schon der ersten Zeile des Refrains an: „Und der Haifisch/der hat Tränen“ ist da zu hören, anstatt wie im Original: „Und der
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