Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
weltpolitischer Dimension, die das Leben der ehemaligen DDR-Bürger grundlegend veränderten. Die Freude über die Vereinigung zu einem deutschen Staat war natürlich im ersten Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos. Doch bald stellten sich Fragen ein, weil nun Unsicherheiten mit den noch unbekannten neuen Einflüssen der westlichen Welt auftauchten. Wie würde es weitergehen? Welche Veränderungen setzten jetzt ein? Wie alle Menschen der ehemaligen DDR bewegten diese Fragen und Ängste auch Till, Flake, Richard, Oliver, Christoph und Paul.
Für sie bedeuteten die ersten Jahre nach der Wende vor allem, dass sie sich zu der Band verbündeten, in der sie bis heute zusammenspielen: Rammstein.
3. Nach dem Mauerfall: Die Gründungsphase
Der Untergang der DDR und damit die Öffnung nach Westen war für die Bürger des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates eine schwer fassbare Situation. Nach 40 Jahren hatte sich die Gewissheit zementiert, dass sie wohl ewig im sozialistischen System ihr Leben fristen müssten. Dennoch hatten sie sich darauf verlassen können, und diese Sicherheit war jetzt verschwunden. Deshalb reagierten viele Ex-DDR-Bürger nach der ersten Euphorie zurückhaltend und verunsichert – wie auch Flake, Paul und Till, die ihre neuen Möglichkeiten noch gar nicht richtig einschätzen konnten. Viele DDR-Bürger merkten, dass mit dem Fall der Mauer eine Zäsur geschah, deren Tragweite sie in den ersten Wochen noch gar nicht richtig begreifen konnten. Schließlich veränderte sich ihr ganzes Leben. Auch für Till Lindemann waren die neuen Lebensumstände mit mulmigen Gefühlen verbunden, wie das
Wom
-Magazin in der Ausgabe 9/2004 meldete: „Ich hatte Angst und dachte, jetzt geht alles den Bach runter. Dadurch, dass man so eingesperrt war, fühlte man sich ja auch sicher.“ Er kaufte sich für sein Begrüßungsgeld im Westen, das jeder DDR-Bürger bekam, der zum ersten Mal nach der Grenzöffnung bundesrepublikanischen Boden betrat, sehr zurückhaltend und bescheiden lediglich Joghurt und Gummibärchen und fuhr dann lieber schnell wieder in seine Schweriner Heimat zurück.
Am schnellsten hatte Richard Kruspe die neue Situation verdaut. Er nutzte die gewonnene Freiheit sofort und war ruhelos aktiv. Nachdem er aus der DDR über Ungarn nach Österreich geflohen war, ging er kurz nach der Maueröffnung nach Westberlin. Aber er entdeckte dort keine künstlerischen Anknüpfungspunkte. Er fand keine Musiker, mit denen sich seine Ideen realisieren ließen. Schließlich zog er nach einem Jahr des Haderns und Zweifelns wieder nach Schwerin und kam bei Till Lindemann unter. Der spätere Rammstein-Gitarrist schloss sich als Bass-Mann kurzzeitig der Rockband Das Auge Gottes an, die von 1989 bis 1998 bestand. Aber das war für Richard nur eine Übergangslösung. 1991 schließlich gründete er die Formation Orgasm Death Gimmick und spielte dort Gitarre. Im Jugendmagazin
NM!Messitsch
berichtete Richard, der sich damals nur Sven Kruspe nannte, 1992 über die Gründung der Band: „Ich habe irgendwann auf der Suche nach Leuten für eine eigene Band Sascha, der jetzt bei uns Schlagzeug spielt, und Franziska von den Inchtabokatables getroffen. Wir haben so ein bissel rumgespielt, und Franzi fand das nicht so doll. Genau an dem Tag, als sie keine Lust mehr hatte, kam Martin (jetzt Bassist). Wir probierten und es funktionierte. Dietmar (Trompeter und Sänger der Band) hat ein gutes Jahr rumgehangen und Bücher gelesen … einfach übers Leben nachgedacht. Dann fing er aber an zu singen, und als Martin ihn fragte, ob er nicht einen guten Sänger kennen würde, sagte er, dass es eigentlich keinen guten Sänger gibt – bis auf einen natürlich. Und damit war die Band komplett.“
Orgasm Death Gimmick wurde Richards zentrale Band, doch er hatte weiterhin auch noch Kontakt zu Paul und Flake, die in Ostberlin auf dem Prenzlauer Berg in der Fehrbelliner Straße seit Mitte der 1980er Jahre zusammen in einer WG wohnten.Dort lebten sie in der Nachwendezeit mitten in der alternativen Szene, unter Künstlern, Hausbesetzern – und mussten oft fürchten, von neonazistischen Skinheads überfallen zu werden. Ihre Band Feeling B hatte ebenfalls in diesem Bezirk im „Wydoks“-Studio in der Schönhäuser Allee 5 seit Anfang 1990 ihre musikalische Zentrale. Zusammen mit Paul baute Richard dort ein 16-Spur-Studio auf, in dem Orgasm Death Gimmick im Winter 1991 ihre ersten Tapes aufnahmen, allerdings ohne Paul, der keine Zeit
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