Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
Zeit.
In der Realität allerdings existierte gerade in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine viel weitläufigere und sehr lebendige DDR-Musiklandschaft, in welcher der Underground mit seinen ungezählten Bands enorm verästelt und verzweigt war. Die Musiker spielten oft in mehreren Formationen gleichzeitig, halfen aus, wo immergerade jemand ausgefallen war, und besuchten gegenseitig die Konzerte anderer Gruppen oder trafen sich auf Partys.
Auf diese Weise gelangte auch Till Lindemann Mitte der 1980er Jahre in die Punkszene. Ende 1985 bekam der spätere Rammstein-Frontmann ein Schlagzeug geschenkt, auf dem er allein und nur für sich ohne musikalische Kenntnisse trommelte. Ab und zu sang er auch bei seiner Arbeit als Korbflechter vor sich hin. Till kannte viele Jugendliche, die in Gruppen spielten, und er wollte selbst unbedingt Musik machen.
Am 04. 01. 1986 feierte er seinen 22. Geburtstag, lud sich ein paar Freunde und einige Amateurrock-Bands ein. Sie kamen vor allem aus Schwerin, wo Till einige Kontakte geknüpft hatte. Zu seinen Gästen gehörte Jörg E. Mielke, genannt Steve, der den Gruppen die Musikanlage besorgte. Till, der Steve erst nur flüchtig kannte, kam mit ihm ins Gespräch und erzählte ihm von seinen Drum-Versuchen. Steve schlug vor, dass sie einfach mal zusammen losjammen sollten, er an der Bassgitarre, Till am Schlagzeug und beide singend. Nach den ersten Treffen funktionierte das ganz gut, aber es fehlte zum Garagenbandglück noch ein Gitarrist. Doch der, für den sich die beiden entschieden, war ständig krank und zog dann auch noch in eine andere Stadt. Till und Steve verzichteten erst einmal auf einen festen Gitarristen und heuerten für die Proben und die ersten selbst organisierten Auftritte immer neue Kandidaten an. Allerdings holten sie sich Stefan Schröder als Sänger und beständiges Mitglied in die Band. Immer wieder schlossen sich andere Gastmusiker an, von denen auch mal einer Trompete blies. Das war für eine Punkband zwar nicht gerade üblich, aber die Truppe war für alle verrückten Einfälle und Späße offen, was ihnen den Status eines gefragten Geheimtipps verschaffte. Die Gruppe probte bei Steve oder Till zu Hause.
Der spätere Rammstein-Sänger lebte damals in einer Schilfkate in einem idyllischen Vogelschutzgebiet am Nordufer des Schweriner Sees, in der Nähe des Örtchens Hohen Viecheln. Das liegt rund 15 Kilometer südlich von Wismar entfernt und hat etwa 700 Einwohner. Dort, im Norden Mecklenburg-Vorpommerns, verknüpften sich die Wege der zukünftigen Rammstein-Mitglieder, als Paul und Flake mit Feeling B in Hohen Viecheln ein kleines ländliches Open-Air-Festival initiierten und als Hauptband Auftritte absolvierten, die für die Filmdokumentation „flüstern & SCHREIEN“ verwendet werden sollten.
Eine Woche hielt sich Feeling B bereits in Hohen Viecheln auf, als sie nach einer Kneipentour von einem Fotografen, der sich Poppke nannte und ihnen dort die Möglichkeit zum Spielen verschafft hatte, über einen unwegsamen Feldweg zu einem Haus gefahren wurden. Poppke wollte Feeling B einem Freund vorstellen. Die völlig alkoholisierten Musiker ließen laut und schrill eine Party steigen und kümmerten sich in ihrer Feierlaune gar nicht darum, dass weitere Menschen dort bei Kerzenlicht und Rotwein saßen. Der Hausherr war Till Lindemann, der auch anwesend war und die Jungs gewähren ließ.
Nach der feuchtfröhlichen Nacht besuchten sie das Häuschen, das Till sich zur Hälfte mit einer alten Dame teilte, immer wieder und freundeten sich mit dem zukünftigen Rammstein-Frontmann an.
Über Till lernten Paul und Flake noch ein weiteres späteres Rammstein-Mitglied kennen: Richard Kruspe, der von Till öfter mal als Gitarrist für First Arsch eingespannt wurde. Für Richard, der sich damals mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, war das nicht der einzige Einsatz als Gitarrist. Er spielte hauptsächlich in der Punkband Das elegante Chaos.
Der Kontakt zwischen den nun schon vier späteren Rammstein-Musikern – Till, Paul, Flake und Richard – intensivierte sich. Sie standen ständig in Kontakt, und Paul und Flake, die mittlerweile zusammen in einer Wohngemeinschaft in Ostberlin lebten, fuhren regelmäßig zu Till, um bei ihm zu Hause Urlaub zu machen. Und sie spielten dort bereits zusammen Musik, denn auch Paul stieg zeitweise bei First Arsch ein.
Bei den ersten provokativen Auftritten auf der ersten kleinen First-Arsch-Tournee durch ein Dutzend DDR-Städte waren
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