Bis dass der Tod euch scheidet
konfus. Gehetzt stieg er in seine Badehose, bereute dabei, die letzten Tage nicht weniger gegessen zu haben. Was er wohl für eine Figur machte, gegenüber dem äußerst schlanken Erik? Leise fluchend bückte er sich nach dem Haargummi, welches auf dem Boden lag, damit bändigte er seine wallende Mähne.
„Treffen wir uns mal wieder?“, hörte er Erik fragen.
Tony konnte daraufhin nur den Kopf schütteln. „Keine Ahnung, ob es gut ist. Ich weiß es nicht.“ Dann verließ er das Hotelzimmer fluchtartig.
Es sollte eine lange Nacht werden, was vielleicht niemand von ihnen angenommen hatte, als sie am nächsten Nachmittag zum Festivalgelände fuhren.
Aufgrund der Hitze fand das Spektakel eher statt, als in den anderen Städten. Man plante ebenfalls keine Aftershowparty und weniger Zugaben, als sonst.
Man befürchtete ohnehin dehydrierte Fans, die in den ersten Reihen zu kollabieren drohten, gereizte Musiker, die nach Wasser und Handtüchern schrien, als ginge es um ihr Leben.
Demzufolge war die Stimmung bei allen unterschwellig gereizt.
Auch Dylan fühlte sich eigenartig. Noch nie zuvor hatte er das Ende der Show so herbeigesehnt, wie an jenem Abend. Am liebsten hätte er sogar auf eine Zugabe verzichtet, doch das wollte er vor den anderen nicht zugeben. Die sahen ihn ohnehin die letzten Tage mit einem merkwürdigen Ausdruck an, als würden sie in ihm einen anderen Menschen sehen. Vielleicht hatte er sich ja auch verändert? War das komische Gefühl in ihm, was ihm seit dem letzten Gig begleitete, der Grund dafür, dass er sich wie ein Alien vorkam?
Er wusste es nicht. Trotzdem spürte er das extreme Verlangen, Thor und seine Band abermals live zu sehen.
Als RACE ihre Performance beendet und einigen Pflichtinterviews nachgegangen war, machte sich Dylan erneut auf den Weg, um die Show von Wooden Dark anzusehen, und diesmal versuchte er nicht, seine Präsenz geheim zu halten.
Im Gegenteil. Er suchte den direkten Augenkontakt, und er spürte, wie Thor ihn eindringlich musterte, ihn anstarrte und dabei seinen donnernden Text ins Mikrofon schrie. Seine Stimme ging unter die Haut. Der krächzende, düstere Gesang wirkte auf Dylan extrem erregend, wie er mit Schrecken feststellen musste. Er merkte das Kribbeln an seinen Armen und in seinem Nacken, sobald er einen Song von Wooden Dark hörte.
Er war regelrecht gefangen von Thors Anblick. Der Gedanke an das Video, ließ Dylan kurz zu Boden sehen. Was Thor mit ihm gemacht hatte, beschämte ihn fast, ließ ihn jedoch auch erschaudern und Sehnsucht spüren.
Sehnsucht nach der Gefahr, nach dem Feuer, nach einer Sache, die nicht sein durfte, gegen die er sich vor Kurzem noch gewehrt hatte, sie jetzt allerdings schmerzlich begehrte und die ihn geradezu paralysierte.
„Dylan?“ Es war Cliff, der ihm sanft am Arm fasste und aus tiefen Gedankengängen zog. „Wir wollen los.“
Es war kurz nach Mitternacht, als Dylan sein Hotelzimmer betrat, seine Kleidung auszog und sofort unter die Dusche stieg. Er war bis auf die Haut durchgeschwitzt gewesen und ziemlich froh, dass sie nach dem Gig relativ schnell den Rückzug antraten. Nicht einmal die Fans hatten die Möglichkeit ein Autogramm zu ergattern, und Wooden Dark spielte noch, als Dylan im Tourbus Platz nahm. Er konnte Thors dunkle Stimme hören, wie sie die sommerliche Luft durchbrach und laut von der Open- Air -Bühne bis zu ihm ihren Weg nahm, als würde sie ihn zurückrufen wollen. Kurz hatte er der Stimme noch einmal gelauscht und tatsächlich überlegt, einfach wieder umzudrehen, um dem Auftritt von Wooden Dark weiter beizuwohnen. Doch viel stärker war der herrische Blick von Tony, der ihm befahl endlich einzusteigen. „Diese Hitze … unerträglich“, stöhnte er. In der Tat war Tony ebenso nassgeschwitzt, wie die Band, auch wenn er keine Performance hinter sich hatte.
Dylan war genügsam eingestiegen, freute er sich doch irgendwie auch auf die Dusche, auf das reinliche Gefühl danach und auf die Tatsache, dass der eigentliche Abend wohl erst beginnen würde.
There is a god in man,
and in nature.
He who sits in the dark,
is the bringer of light.
This beauty,
the sign of an open eye.
Call him, to black flame
Call him, bringer of light
God Seed (Gorgoroth) „Sign of an open eye“
Es war fast eine Stunde vergangen, als es an Dylans Tür klopfte. Wie erwartet war es Thor, der im Hotelflur stand und nicht großartig um Einlass bitten musste.
Dylan ließ ihn wortlos eintreten. Auf dem gläsernen Tisch, um
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