Bis dass der Tod euch scheidet
Auge.
Er wartete eine ganze Weile, dabei musterte er auch die anderen Gäste, die ein und aus gingen. Die meisten von ihnen sahen ihn schief an. Solche Blicke war er, aufgrund seiner Frisur und der auffälligen Schminke, längst gewöhnt.
Aber es war Hochsommer, und er trug zudem noch immer diese lange Armstulpe.
Und er musste sich selbst eingestehen, dass es absolut verrückt war. Doch die Hitze ließ es nicht zu, dass er ein langärmliges Shirt trug. Selbst der lange Männerrock, der ihn kleidete, war nicht sonderlich luftig.
Als er sich wieder dem diskutierenden Paar zudrehte, lag sich das inzwischen in den Armen. Tonys Hand strich mitfühlend über Eriks Rücken. Eine tröstende Geste. Ein Zeichen dafür, dass sie fertig waren mit ihrem Gespräch? Oder eher mit den Nerven?
Dylan schmiss den leeren Kaffeebecher weg, und beschloss, sich endlich bemerkbar zu machen. Er wollte nicht riskieren, dass Rick doch noch selbst ins Hotel kam, um zu sehen, was los war und das Ereignis die Runde machte.
Aber kaum hatte Dylan diesen Entschluss gefasst, stoppte er seinen zügigen Gang. Er sah plötzlich Thor, wie der, beladen mit Koffer und Tasche, durch die Lobby eilte und Tony und Erik nur einen flüchtigen Blick zuwarf.
Dennoch war sein Gebrüll umso lauter: „Erik? Er du klar?“
Sofort ging ein Ruck durch den schmalen Körper des Bassisten von Wooden Dark.
Er löste sich von Tony, senkte den Blick und zischte nur noch etwas, wie: „Entschuldige, ich muss los.“
Dann folgte er Thor mit hastigen Schritten.
Dylan blieb der Mund offen stehen. Thor war an ihm vorbei gegangen, als würde er ihn gar nicht kennen. Oder wollte er ihn nicht sehen? Hatten sie es denn alle wirklich so eilig?
Er senkte den Kopf. Still in seinem Inneren gab es wohl nur eine Antwort:
Thor Fahlstrøm scherte sich einen Dreck um ihn. Wenn der keine Lust hatte, dann war Dylan Luft, nicht existent, keines Blickes würdig.
Mit etwas Wehmut sah Dylan dem norwegischen Tourbus hinterher. Und für einen kurzen Moment wünschte er sich, dass sich Thor auch so emotional von ihm verabschiedet hätte, auch wenn er sich für diesen Gedanken fast hasste.
Als sie endlich losfuhren, war es klar, dass er Tony zu Rede stellen musste, und der sah auch immer noch ganz mitgenommen aus.
„Lief wohl nicht so gut, der Abschied von Erik?“
Tony hob leicht die Schultern an. Er schien unschlüssig.
„Weiß nicht. Er wollte reden, die ganze Zeit reden über uns … er war so anhänglich, ich hätte das niemals erwartet.“
Dylan nickte nachdenklich.
„Und wenn du ihm einfach sagst, dass du nichts Festes willst, keine Zeit dafür hast … oder verheiratest bist?“
Tony schüttelte den Kopf. „Das wäre eine Lüge, das kann ich nicht sagen.“
„Also scheint er dir doch wichtig zu sein.“
Tony verzog das Gesicht gequält. So hatte ihn Dylan noch nie gesehen. „Wichtig?“ Es klang fast fassungslos. „Hast du dir Erik mal genau angesehen? Wie hübsch er ist? Diese hellblauen Augen zu der blassen Haut. Und diese schmalen Lippen, dieses feine Gesicht … und seine Haare, so glatt, wie Seide …“
„Scheiße, Tony, das klingt, als ob du verknallt bist.“ Dylan grinste amüsiert, doch nur kurz. Augenblicklich holte ihn seine eigene Situation ein. Er selbst war einem bärtigen Berserker verfallen, einem Grobian, der ihn benutzte und dem es anscheinend egal war, wie er sich in dieser Situation fühlte. Und noch viel schlimmer war, dass sich Dylan in diesem Moment keinem anvertrauen konnte.
Tony, der sowieso ein abwertendes Auge auf Thor geworfen hatte, befasste sich nun mit anderen Dingen, hatte andere Sorgen. Dylans Lage war plötzlich nicht mehr von Bedeutung.
Und es war wohl auch besser, in diesem Moment, nicht um Hilfe zu bitten. Das war sowieso nicht Dylans Art. Er schwieg. Was am Abend zuvor zwischen ihm und Thor hinter verschlossener Tür vorgefallen war, würde vielleicht kein anderer jemals erfahren.
Das Läuten von Tonys Handy, holte beide aus ihren stillen Gedanken heraus.
„Ach herrje“, stöhnte Tony, als er die SMS gelesen hatte. „Es geht schon wieder weiter mit der Diskussion.“
Dylan wandte seinen Kopf.
„Hast du Erik etwa deine Handynummer gegeben?“
Tony nickte, woraufhin sich Dylan ein weiteres Lachen nicht verkneifen konnte.
„Na dann wirst du wohl aus der Sache nicht so schnell wieder herauskommen.“
Kapitel 9
Funkstille, wieder einmal. Ein paar Tage trennten sie von ihrer letzten Show in Amerika.
Diese Auszeit
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