Bis dass der Tod euch scheidet
tat Dylan gut. Er fühlte sich besser, wenn auch längst nicht emotional sortiert, denn noch immer wusste er nicht, was er von der „Bekanntschaft“ mit Thor und vor allem von dessen Benehmen halten sollte.
Die wenigen Tage in England, die sie genossen, bevor sie in die USA reisten, nutzte er intensiv, um seinem Freund Tony beizustehen.
Der kämpfte mit den Gefühlen. Klar fühlte er sich zu dem Bassisten von Wooden Dark hingezogen und jedes Mal, wenn
er von ihrer gemeinsamen Nacht schwärmte, leuchteten seine Augen.
Doch es gab ein Problem, was Tony in seinen Handlungen beeinträchtigte. Und das war Thor Fahlstrøm.
„Unmöglich kann ich mit dem besten Freund von Fahlstrøm etwas anfangen, unmöglich!“
Wie oft hatte Dylan diesen Satz in den letzten Tagen gehört?
Und er tat alles dran, um Tony umzustimmen. Er mochte Erik, ebenso wie seinen Manager. Er gönnte ihnen das Glück.
Und vielleicht projizierte er seine ganze Kraft auf diese Geschichte, um sich selbst von seiner eigenen Misere abzulenken.
„Scheiß auf Fahlstrøm“, sagte er mehr als einmal. „Ist doch egal, was ihn mit Erik verbindet. Ignorier ihn einfach. Ich selbst werde ihn auch ignorieren. Der kann uns mal, ja, Tony, der kann uns mal!“
Es klang wie eine Parole aus den schwärzesten Kriegsfilmen. Dylans Stimme bebte dabei, doch nicht aus Überzeugung, sondern eher, weil er selbst merkte, dass er seinen eigenen Worten nicht mehr Glauben schenken konnte.
Und das spürte auch Tony.
„Was Erik angeht …“ Er lächelte verschmitzt, dabei sah er auf sein Handy, als wolle er den Mann seiner Begierde sofort anrufen. Dabei telefonierten sie doch sowieso schon jeden Abend miteinander. Auch wenn Tony leise sprach. Dylan hörte seine warmherzigen Worte, sein Liebesgesäusel. „ … sicher hast du Recht. Ich sollte mich auf ihn konzentrieren und nicht auf seine Freunde.“
Doch dann wurde sein Gesichtsausdruck Ernst.
„Aber um dich mache ich mir wirkliche Sorgen.“ Er fasste Dylan behutsam bei der Schulter. „Dir geht es nicht gut, das merke ich doch. Thor raubt dir den Verstand, lass dich darauf nicht mehr ein. Bitte, hör auf meine Worte, du tust dir selbst keinen Gefallen damit. Dieser Typ ist nichts für dich.“
Dylan biss sich auf die Lippe. Seine Kräfte waren aufgebraucht, und ihm war wirklich nach Heulen zumute. Trotzdem riss er sich zusammen.
„Ich weiß, was ich tu“, log er ganz gewissenhaft. „Mach dir um mich keine Sorgen.“
Am Abend aßen sie zusammen Chinesisch süß- sauer, was Tony extra hatte anliefern lassen. Clifford war mit Phiola unterwegs und Angus ebenfalls außer Haus.
Nach dem „klärenden Gespräch“ war Tony bester Laune. Als er den Tisch abräumte und das Geschirr in den Geschirrspüler stellte, verkündete er glucksend:
„Wir können uns doch einen gemütlichen Abend machen, was meinst du?“ Er sah Dylan kurz an, widmete sich dann aber wieder dem Geschirr. „Wir setzen uns mit Bier und Chips vor die Glotze. So wie früher! Von mir aus können wir auch „Underworld“ sehen.“
Dylan entwich nur ein müdes Lächeln, als er an seine favorisierten Filme dachte.
„Weiß nicht …“ Er schlich müde zur Sofaecke und griff nach der Tageszeitung, sah sie allerdings desinteressiert an. Seit Tagen hatte er schon keine Zeitung mehr gelesen. Vielleicht sollte er endlich mal wieder damit beginnen? Wenigstens das Fernsehprogramm konnte er ja mal studieren oder das Wetter … Ob es in Norwegen auch ständig regnete?
Er ließ sich auf den Dreisitzer fallen, hob die Beine auf die Polster und fing an, unkontrolliert in der Zeitung zu blättern.
„Ich hole uns jetzt mal schöne Leckerbissen aus dem Keller!“, verkündete Tony. Dylan wusste sofort was das bedeutete: englisches Starkbier und fettige Zwiebelringe. Am nächsten Morgen würden sie sich die Seele aus dem Leib kotzen. Doch er ließ Tony die Freude. Als er dessen laute Schritte auf der Kellertreppe hörte, war er auf der Seite der Boulevardpresse angelangt. Kaum hatte er die Artikel überflogen, setzte er sich wieder auf.
„Oh shit!“ Ein Bericht von Julia fiel ihm ins Auge. Hatte sie ihre Drohung also wahr gemacht? Flink las er die Zeilen und atmete schließlich auf. Kein Wort über Fahlstrøm. Keine Details über das Zusammentreffen im Fahrstuhl.
Im nächsten Moment sprang Dylan auf. Schnell erspähte er Tonys Handy auf dem Küchentisch. Ohne Probleme fand er dort in dem Adress-Speicher Eriks Nummer.
„Bringst du mir noch Wein mit
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