Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Steinbrücke. In der Nähe kann er Hecken und die Umrisse von landwirtschaftlichen Gebäuden sehen.
Doppeltüren zum Balkon. Sami probiert den Türgriff aus. Er geht auf. Er tritt hinaus. Eine Bewegung springt ihm ins Auge, und er bemerkt eine Frau, die ein Pferd über Sprünge aus bunten Stangen reitet, die auf Tonnen liegen. Sie trägt Reithosen, eine kurze rote Jacke und einen Helm. Ihr blondes Haar wippt auf ihrem Rücken, so wie ihre Pobacken im Sattel auf und ab hüpfen.
Es klopft an der Tür hinter ihm. Eine Angestellte kommt herein. Ihre Haut ist so schwarz, dass sie beinahe violett glänzt.
»Mr Garza möchte, dass Sie ihm in der Bibliothek beim Fünf-Uhr-Tee Gesellschaft leisten.«
Sami fühlt wie sein Skrotum schrumpft und seine Eier nach oben in seinen Körper krabbeln, auf der Suche nach einem sicheren Versteck.
Beim Zubinden seiner Turnschuhe versucht er, das zu durchdenken. Wenn Ray Garza ihn hätte tot sehen wollen, dann wäre er jetzt tot. Jetzt haben ihn Leute gesehen – zumindest die Hausangestellte. Sie ist eine Zeugin. Und Garza würde ihm sicher keine Auswahl an Kleidern zur Verfügung stellen, wenn er vorhätte, sie mit Kugeln zu durchsieben.
Murphy muss ihn angerufen und ihm gesagt haben, dass Sami sich geziert hatte, als es um die Übergabe der Drogen und der Waffe ging. Das ist in Ordnung, denkt Sami. Er muss nur hartnäckig bleiben. Darauf bestehen, Nadia zu kriegen. Das und sonst nichts.
Als er die Zimmertür öffnet, steht er auf einem Treppenabsatz und sieht eine Marmortreppe hinunter, die aussieht wie etwas aus Vom Winde verweht vor dem Brand. Ein Kronleuchter so groß wie ein Mini Cooper hängt über der Eingangshalle.
Samis Turnschuhe quietschen, wenn er geht. Er hätte die Slipper nehmen sollen.
Eine andere Angestellte poliert die Halle mit einer Maschine. »Ich suche die Bibliothek«, sagt Sami.
Sie zeigt einen Korridor entlang und sagt ihm, er solle bis zum Ballsaal gehen, rechts abbiegen, und dann zur vierten Tür, direkt neben dem Billardraum und dem Heimkino.
Sami hält vor der Tür an. Klopft. Wartet. Geht hinein. Niemand scheint da zu sein, aber eine silberne Kaffeekanne steht auf einem Tablett mit Tassen, Untertassen und allem Drum und Dran.
Der Raum ist von Bücherregalen umgeben, die bis an die Decke reichen. Die oberen können über eine Treppe erreicht werden, die auf einen Gang führt, der um drei Wände herumgeht und mit Wappenfahnen und Wimpeln behängt ist.
Ray Garza taucht aus einem Innenhof draußen auf, spricht in ein Handy und gibt Sami ein Zeichen, sich hinzusetzen. Garza muss ungefähr fünfzig sein, sieht aber gut aus für sein Alter. Gebräunt. Fit. Er trägt legere Hosen, Gucci-Slipper und einen Kaschmirpullover und hat das entspannte Aussehen von jemandem, der den Wert des Geldes kennt, weil er einen Haufen davon besitzt.
Er beendet den Anruf, sieht Sami an, lächelt. Pubertäre Aknenarben haben Krater in seinen Wangen hinterlassen und ihm jede Chance geraubt, jemals als gutaussehend zu gelten.
»Interessieren Sie sich für Politik, Mr Macbeth?«
»Nein, Sir.«
»Das habe ich in Ihrem Alter auch nicht getan. Ich habe keine Zeitung gelesen, habe nicht gewählt, es war mir egal, wer von den Bastarden an der Macht war.« Garzas Augen schillern. »Jetzt ist das mein Geschäft. Politik ist wie ein Mikrokosmos. Geschäfte auch. Alles hängt mit allem zusammen, genau wie in der Natur.«
Sami hat keine Ahnung, wovon er spricht.
»Wenn es darum geht, was ich zu Mr Murphy gesagt habe …«
Garza hebt eine Hand, um sich die Unterbrechung zu verbitten. Er spricht korrekt und abgehackt, aber Garza ist auf keine Privatschule gegangen. Er wuchs in einer Mietskaserne in Bristol auf als Sohn eines Fleischzerlegers am städtischen Schlachthof.
»Wissen Sie etwas von Hyänen, Mr Macbeth?«
Sami fragt sich, ob das eine Fangfrage ist. »Die lachen.«
»In Wirklichkeit geben sie einen keuchenden Laut von sich, den man nicht wirklich mit Lachen verwechseln kann. Hyänen haben die stärksten Kiefer von allen Säugetieren. Sie haben außerdem einen Pseudopenis, was bedeutet, dass man nicht wissen kann, welches Tier männlich und welches weiblich ist, wenn sie geboren werden.«
»Sie wissen eine Menge über Hyänen, Mr Garza«, sagt Sami, dem nichts anderes einfällt.
»Ich hatte meinen Privatzoo, bevor der Stadtrat ihn geschlossen hat. Ich musste meine Tiere verkaufen, weil die militanten Tierschützer sechs Monate lang vor meinem Tor campiert haben. Sie
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