Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
langen, neonbeleuchteten Korridor zurück, an den Autopsieräumen vorbei und dem Raum für dreckige Leichen. Baxter muss laufen, um ihn einzuholen, und befiehlt ihm, stehen zu bleiben.
Ruiz dreht sich herum und sieht ihn an. »Meinen Sie, dass ich so etwas tun würde? Glauben Sie wirklich, dass ich dem Jungen da drinnen die Knochen gebrochen habe; dass ich sein Auge herausgerissen habe, glauben Sie das wirklich?«
Baxter erstarrt angesichts der Wildheit von Ruiz’ Wut.
»Ich glaube, dass Sie zu lange in diesem Job gearbeitet haben, Vincent, und dass Sie sich viel zu sehr mit diesen Leuten abgegeben haben. Sie haben geglaubt, dass sie genauso sind wie wir, dass sie nur nicht das Glück hatten, auf eine anständige Schule zu gehen oder in einem ordentlichen Elternhaus aufzuwachsen. Aber da irren Sie sich. Die Leute suchen sich die Welt nicht aus, in die sie hineingeboren werden, aber manche schaffen es rauszukommen, und andere machen sie sich zu eigen, und wieder andere werden davon begraben. Ich glaube, Sie wissen, wer Toby Streak umgebracht hat. Vielleicht haben Sie sogar versucht, ihn zu warnen.«
»Ich habe nach einem Mädchen gesucht.«
»Oh ja, das stimmt, nach der Schwester eines Terroristen.«
»Sami Macbeth ist nicht mehr Terrorist, als ich es bin.«
»Ist das ein Geständnis?«
»Lecken Sie mich am Arsch!«
Ruiz geht die Betonrampe hinunter. Es hat angefangen zu regnen. An der Ecke hält er nach einem Taxi Ausschau. Drei fahren vorbei, besetzt. Wasser rinnt in den Kragen seines Mantels, aber er ist zu wütend, als dass es ihm etwas ausmachen würde. Er arbeitet sich durch Toby Streaks letzte Stunden hindurch wie durch ein Zwölf-Schritte-Programm.
Ein Polizeiwagen hält. Durch die Windschutzscheibe und die schlagenden Scheibenwischer sieht er Phil Baxter auf dem Rücksitz.
»Ich brauche niemanden, der mich nach Hause fährt«, sagt Ruiz.
»Oh, wir fahren auch nicht zu Ihnen nach Hause«, antwortet Baxter.
57
Samis Anzug ist gereinigt worden, und sein Hemd ist gebügelt. Er putzt sich die Zähne, spült den Mund aus und spuckt ins Waschbecken. Sein Zahnfleisch blutet. Gefängnisessen. Stress.
Zwei große schwarze Land Cruiser mit verspiegelten Fenstern warten unten. Motoren im Leerlauf. Insassen unbekannt. Es klopft an der Tür. Es ist so weit.
Ray Garza steht unten in der Halle. Sami zählt sechs Männer, alle in Schwarz. Einer davon hat eine Hand wie eine geschrumpfte Klaue, mit zusammengepressten und nach innen in Richtung Handgelenk eingerollten Fingern. Er muss die Zigarette bis über die Augen heben, um den Filter in den Mund zu stecken.
Autotüren öffnen sich. Schließen. Bitte anschnallen. Der Konvoi setzt sich in die Nacht hinein in Bewegung, die auf dem Land noch schwärzer erscheint, regelmäßig erhellt nur von Blitzen, die in den Wolken zittern.
Sami sitzt auf dem Rücksitz des ersten Land Cruisers, neben der »Klaue«. Der Fahrer trägt Lederhandschuhe und eine dunkle Brille, aber sein auffälligstes Accessoire ist ein Schulterholster mit einer Maschinenpistole. Die fangen einen Krieg an, denkt Sami.
Die Autotüren sind nicht abgeschlossen. Vielleicht könnte er die Tür aufreißen und sich herausfallen lassen. Vielleicht würde er das sogar überleben. Und dann?
Nein, das muss jetzt zu einem Ende kommen. Zumindest damit hat Garza recht gehabt. Der Rest seiner Litanei war selbstmitleidiges Gelaber über seine untreue Frau und seinen undankbaren Sohn gewesen.
Sami hatte Garzas schwachen Moment mitbekommen und war zu seinem Beichtvater geworden, was dem Mann nun peinlich war. Deshalb hatte Garza seitdem kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Sami war für ihn eine Persona non grata, überflüssig wie ein Kropf.
Sollte er sich doch zum Teufel scheren. Murphy und Garza konnten sich ein Dutzend Mal gegenseitig umbringen, es ist Sami völlig egal. Er will nur Nadia und dann nichts wie weg; sie clean kriegen und ihr sagen, dass es ihm leidtue. Danach würde er der Polizei alles erzählen. Er würde sich stellen und sich der Gnade des Gerichts ausliefern. So gnadenlos es auch sein mag.
Dann verliert er sich in Fantasien. Er fängt an, sich vorzustellen, wie er Garza und Murphy festnehmen und ihre Tätigkeiten aufdecken würde. Er kann die Schlagzeilen schon vor sich aufwirbeln sehen: MUTMASSLICHER TERRORIST BEGNADIGT und GESUCHTER WIRD ZUM HELDEN . Dann trifft er den Premierminister in Downing Street und sieht ihn vor Dankbarkeit weinen. Er bekommt einen Vertrag für ein Buch, Guy
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