Bis einer stirbt
Geduld verlor und unvorsichtig wurde. Tatsächlich bückte der sich und fing genervt an, selbst an dem Ring zu ziehen. Nils’ Rechnung schien aufzugehen, denn unwillkürlich lockerte Fred seinen Griff um meinen Hals. Nur ein wenig, aber doch spürbar. Eine Sekunde lang konzentrierte er sich mehr auf den Ring als auf mich. Und das war exakt der Moment, in dem Nils ihn angriff.
Mit einem Satz warf er sich auf Fred und fasste sofort nach der Hand mit dem Messer. Aber noch immer schaffte ich es nicht, mich aus der lebensbedrohenden Umklammerung zu befreien. Im nächsten Augenblick registrierte ich, dass Nils die Hand schon wieder losließ. Wie bitte? Was sollte das hier werden, verdammt?
Mit der freien Linken hatte Fred einen herumliegenden Stein aufgehoben und ihn gegen Nils’ Hinterkopf geknallt. Der Stein war faustgroß. Nils sackte in sich zusammen. Dann lag er einfach da. Der Druck des Messers an meinem Hals war schlimmer als zuvor. Mein Blick fiel auf Nina. Sie wusste nicht, was sie von der Situation halten, wie sie reagieren sollte.
»Ist der jetzt etwa auch tot?«, fragte sie schließlich. Sie wollte zu Nils, um ihn zu untersuchen.
»Weg da!«, fauchte Fred.
Nina entschied sich für Gehorsam. Meine Gedanken flatterten wie wild zwischen Nils und Pit hin und her. Noch immer hatte ich keine Ahnung, ob Pit wirklich da unten war. Die Betonplatte war einen guten halben Meter zu Seite gerückt. Pit hätte leicht durch diese Öffnung gepasst. Wenn er wirklich in dem Loch steckte, warum versuchte er dann nicht mal hochzukommen? Kein Mensch hätte sich in so einer Situation stumm in eine Ecke gehockt. Und Pit schon gar nicht. Dass unter dem Betonboden tatsächlich ein Raum war, konnte man allerdings nur ahnen. Außer totaler Dunkelheit und Stille drang nichts nach oben. Ich schrie Pits Namen, so laut ich konnte.
»Halt’s Maul, blöde Kuh!«, herrschte Fred mich an und befahl dann Nina: »Runter mit dir! Aber ein bisschen plötzlich!«
Wenn in diesem Augenblick jemand wie eine Kuh glotzte, dann Nina. Sie konnte es nicht glauben.
»Aber Fred, Schatz«, stammelte sie. »Du kannst mich doch nicht da runter …«
»Und warum nicht? Los! Wird’s bald?«
»Aber ich liebe dich doch …« Überzeugend klang das nicht, aber ich hatte mich nicht verhört.
»Laber kein Blech«, meinte Fred unsentimental. »Du gehst mir schon lange auf den Wecker. Runter jetzt!«
Nina schaltete plötzlich auf stur. »Warum sollte ich? Von mir aus kannst du der da«, sie zeigte auf mich, »ruhig die Gurgel aufschlitzen. Interessiert mich nicht.«
»Wenn du nicht bei drei unten bist«, Freds Stimme wurde gefährlich leise, »dann mach besser schon mal dein Testament. Eins …«
Nina schien nicht sicher, wie sie die Situation einschätzen sollte.
»Zwei!«
Ich sah den Speichel aus seinem Mund fliegen und spürte deutlich, wie die Klinge meine Haut ritzte. Merkwürdigerweise tat es nicht weh, aber der Druck ließ etwas nach.
»Bitte!«, flehte ich Nina an und war heilfroh, als sie sich endlich auf den Rand des Lochs setzte und die Beine hineinbaumeln ließ.
»Aber ich sehe nichts da unten«, rief sie ängstlich. »Ich kann doch nicht einfach springen.«
»Lass dich langsam runtergleiten«, zischte Fred. »Du spürst dann ganz schnell Boden unter den Füßen. Es ist nicht tief.« Auf einmal klang er fast teilnahmsvoll.
Dann sah ich, dass Nils sich bewegte. Nur ganz wenig, aber immerhin: Er lebte! In mir keimte die verzweifelte Hoffnung auf, dass sich damit vielleicht doch noch alles zum Guten wenden könnte.
Nina rutschte in die Öffnung und verschwand komplett. Aber schon im nächsten Augenblick tauchte ihr Kopf wieder in der Luke auf. Ganz offensichtlich stand sie auf festem Boden. Der Kellerraum konnte wirklich nicht tief sein.
»Was soll ich hier unten, verdammt?«, fragte sie verzweifelt. »Hier ist doch nichts. Fred, Freddy, Schatz, ich dachte …«
»Keine Sorge«, erwiderte Fred hämisch, »da ist was. Du wirst noch genügend Zeit haben, dich umzusehen. Und noch mehr Gesellschaft kriegst du auch. Wird schon nicht langweilig.«
Langsam rappelte Nils sich auf. Vorsichtig betastete er die Stelle an seinem Kopf, wo ihn der Stein getroffen hatte. Aber Fred ließ ihm keine Zeit, sich länger mit seiner Wunde zu beschäftigen.
»Los!«, befahl er. »Jetzt du. Runter da!«
Umständlich rappelte Nils sich auf. Er war meine letzte Hoffnung. Ich wartete darauf, dass er irgendetwas machte oder sagte. Irgendwas, das die Welt
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