Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Aspirin rum«, sagte Robyn. »Soll ich sie für dich holen?«
»Nein, danke«, sagte ich und lächelte sie an. »Geht schon.« Ich kehrte zu dem Sessel zurück, nahm das Glas Whisky in die Hand und trank aus. Dann zog ich mein Handy heraus und schaute aufs Display. Immer noch kein Signal.
»Liegt am Wetter«, sagte Robyn. »Wenn es so ist wie jetzt, ist der Empfang immer scheiße.«
Ich legte das Handy wieder weg. »Wir müssen Linda sprechen und mit ihr arrangieren, dass du von der Insel kommst.«
Robyn schüttelte den Kopf. »Der Damm wird inzwischen überflutet sein. Bis morgen Abend oder so kommt niemand mehr von der Insel.«
»Wo ist der nächste Festnetzanschluss?«
»Du hast mir immer noch nicht erzählt, wieso du das alles tust.«
Ich sah sie an. »Dafür ist jetzt keine Zeit.«
»Nimm dir die Zeit.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du kapierst nicht – «
»Nein«, sagte sie ruhig. » Du kapierst nicht. Ich will wissen, wieso du das machst, und ich erzähl dir kein Wort mehr, wenn du’s nicht jetzt sofort endlich sagst, okay?«
Die Kerze auf dem Fußboden war inzwischen fast runtergebrannt, die orange-blaue Flamme flackerte nur noch schwach in der Dunkelheit, aber als ich lange und fest in Robyns Augen sah, war ihre absolute Entschlossenheit trotzdem gut zu erkennen. Sie meinte, was sie sagte. Und auch wenn ich wusste, dass dies nicht der rechte Zeitpunkt war, ihr die Wahrheit zu sagen, wusste ich doch, dass jetzt auch nicht der Zeitpunkt für Lügen war.
»Was weißt du über deinen Vater?«, fragte ich behutsam.
»Meinen Vater ? Was soll das denn jetzt?«
»Weißt du, wer er war?«
»Ja … ja, ich weiß, wer er war.« Ihre Stimme klang kalt. »Er war das egoistische Arschloch, das meine Mum geficktund sich dann umgebracht hat. Aber ich versteh nicht, was – «
»Weißt du, wie er hieß?«
Sie starrte mich schmallippig an.
»Er hieß Jim«, sagte ich und hielt ihrem Blick stand.
»Und?«
»Jim Craine.«
Ihr Mund klappte nach unten. »Craine?«
Ich nickte. »Er war auch mein Vater.«
Eine Weile sagte sie gar nichts, sie konnte nichts sagen … saß einfach nur da, starrte mich an, sichtbar geschockt und verwirrt, versuchte zu verdauen, was ich ihr gerade erzählt hatte, versuchte zu begreifen, was das bedeutete … und es war klar, dass sie immer noch bis zum Hals mit Heroin vollgepumpt war und es ihr schwerfiel, geradeaus zu denken … Doch schließlich, nachdem sie ein paar Mal geblinzelt und sich nervös die Lippen geleckt hatte, fand sie ihre Stimme wieder.
»Ich kapier’s nicht …«, murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Wie können wir beide denselben Vater haben? Ich meine … das heißt doch, wir sind, du weißt schon … du bist mein …«
»Bruder«, sagte ich und lächelte vorsichtig. »Na ja, zumindest Halb bruder …«
»Halbbruder …?«
»Ja.«
»Scheiße …«
Ich grinste. »Ja, ich weiß.«
»Verdammte Hölle …«
»Du fluchst zu viel.«
Sie sah mich an, immer noch unglaublich verwirrt, aber jetzt lag auch ein Anflug von etwas anderem in ihren Augen, etwas, das mir ein sehr gutes Gefühl gab.
Und wie wir so dasaßen und uns im Flackern des Kerzenlichts anschauten, sah ich den Hauch eines Lächelns in ihremGesicht, ein Lächeln aus tiefem Herzen, das Lächeln einer kleinen Schwester …
Und dann blitzten die Lichter wieder auf, Scheinwerfer bewegten sich vorm Fenster und diesmal gab es absolut keinen Zweifel, dass sie real waren.
25
»Scheiße!«, sagte Robyn, als ich mich zu den Lichtern im Fenster umdrehte. »Duck dich! Pass auf, dass sie dich nicht sehen. Mach schon!«
Gerade als ich den Kopf senkte und mich aus dem Blickfeld duckte, strömte das Scheinwerferlicht direkt in den Wohnwagen und ich sah, wie Robyn Richtung Fenster stolperte. Jetzt hörte ich auch das Fahrzeug, ein tiefes, grollendes Knurren, direkt vor dem Wohnwagen.
»Fuck«, zischte Robyn und spähte aus dem Fenster.
»Wer ist es?«
»Tait … er hat Stevie und Mott dabei.«
Wer ist Mott? , überlegte ich, während der Motor ausging.
»Geh in die Küche«, sagte Robyn.
Ich sah sie an. »Was?«
»Jetzt mach schon«, blaffte sie und ging in die Küchenecke. »Du musst dich verstecken, schnell … die kommen jeden Moment rein.«
»Und was ist mit dir?«, fragte ich, während ich ihr folgte.
»Ich komm schon klar«, sagte sie und suchte nach einem Versteck für mich. »Hier drunter«, flüsterte sie und ging zu einem Haufen Jacken, die wild übereinandergeworfen auf dem Boden
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