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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ausginge, dass es stimmte und er tatsächlich nicht hineingeschaut hatte, stünde doch auf einmal die Vorstellung im Raum, er könnte eben doch darin gelesen haben.
    »Entschuldigung«, sagte ich zu ihr. »Ich wollte dich nicht – «
    »Schon gut«, antwortete sie, noch immer ohne mich anzusehen.
    »Ich bin ein Idiot«, sagte ich.
    Sie warf mir einen Blick zu und in ihren blassblauen Augen zeigte sich ein Hauch von Belustigung.
    »Ein englischer Idiot«, fügte ich hinzu.
    Sie lachte.
    Ich grinste zurück. »Gehört alles mit zum Programm.«
    »Was, ein Idiot zu sein?«
    »Ja, alle Engländer sind Idioten. Wir können nichts dazu. Es liegt an den Genen.«
    »Verstehe … so eine Art nationale Spezialität?«
    »Genau.«
    Sie war nicht mehr rot und wirkte jetzt halbwegs locker.
    »Und«, sagte ich. »Macht ihr Urlaub hier?«
    Sie nickte. »So ähnlich … mein Dad hat versucht, seine Wurzeln ausfindig zu machen, verstehen Sie? Seine englischen Vorfahren.«
    »Was, hier? Auf der Insel?«
    »Ehrlich gesagt überall. Wir waren in Schottland, in Essex, in Kent … aber das hier ist die letzte Station. Also, am Montag fahren wir nach London und am Mittwoch fliegen wir dann zurück.«
    »Freust du dich auf zu Hause?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ein bisschen … ich meine, ich vermisse meine Freunde und so, aber … war ziemlich cool hier …« Sie warf einen Blick durch die Tür nach draußen, winkte ihren Eltern, dann wandte sie sich wieder zu mir um. »Ich geh dann mal besser.«
    »Ja, natürlich.«
    Ich sah sie fortgehen und hoffte, sie würde noch mal über die Schulter schauen … was sie auch tat. Ein kurzes Winken, ein Lächeln, dann war sie verschwunden. Und ich stand da und überlegte, ob ich mich richtig verhalten hatte. Hätte ich vielleicht nicht mit ihr sprechen sollen? Hätte ich ihr lieber einfach das Tagebuch geben und den Mund halten sollen?
    Wieso?
    »Vielleicht hält sie mich für einen gruseligen Alten?«
    Du bist kein gruseliger Alter.
    »Aber das weiß sie ja nicht, oder? Und ihre Eltern auch nicht. Ich meine, schau mich doch mal an … seh ich nicht aus wie ein elender Penner?«
    Nein.
    »Und sie haben mich gestern gesehen, als ich rumgeschlichen bin wie ein Zombie.«
    John –
    »Ich würde jedenfalls nicht wollen, dass ein Penner-Zombie meine Tochter anquatscht.«
    Sie mag dich, John. Sie mögen dich alle drei.
    »Wirklich?«
    Ja. Und jetzt halt die Klappe und geh dein Frühstück essen.
    Ich hatte keine Ahnung, wie Serina Mayo reagieren würde, wenn ich ihr erklärte, wer ich war, und als ich später am Morgen aufbrach, um zu ihr zu gehen, versprach ich mir: Was immer sie täte, ich würde es akzeptieren. Wenn sie mich wegschickte und sagte, ich solle sie nie wieder belästigen, würde ich es tun. Wenn sie behauptete, sie hätte meinen Vater gar nicht gekannt, würde ich mich für meinen Irrtum entschuldigen und es dabei belassen.
    Was immer sie wollte …
    Es war ihre Entscheidung.
    Es musste so sein.
    Und das Gleiche galt auch für Robyn.
    Robyn …
    Die Vorstellung, sie könnte meine Halbschwester sein, war so verwirrend, dass ich noch gar nicht in der Lage gewesen war, vernünftig darüber nachzudenken … ehrlich gesagt war es so ein befremdlicher Gedanke, dass ich es mir überhaupt noch nicht vorgestellt hatte. Das war alles zu viel für mich. Was würde ich empfinden, wenn sie tatsächlich meine Halbschwester war? Was würde ich empfinden, wenn sie es nicht war? Was würde sie mir gegenüber empfinden? Es war so schwer, sich das alles vorzustellen, dass etwas in mir den Gedanken bis jetzt immer abgeblockt hatte.
    Doch jetzt …
    Nun ja, jetzt bog ich in die Straße ein, in der Serina undRobyn wohnten … ging langsam den Bordstein entlang auf das Haus zu … und gleich würde ich an der Haustür klopfen oder klingeln und alles, was ich abgeblockt hatte, stünde direkt vor mir – und plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das schaffen würde.
    Ich blieb stehen und zündete eine Zigarette an.
    Meine Hände zitterten.
    Es fing an zu regnen.
    Ich stand eine Weile da, rauchte und überlegte, und für ein, zwei Sekunden erwog ich ernsthaft, wieder umzukehren, ins Hotel zurückzugehen und das Ganze zu vergessen. Was sollte das alles? Was hoffte ich damit zu erreichen? Serina Mayo war nichts weiter als eine Frau, die mal eine Affäre mit meinem Vater gehabt hatte. Und ihre Tochter …?
    Ihre Tochter könnte die Tochter meines Vaters sein.
    Meine Halbschwester.
    Meine

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