Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Blutsverwandte.
Nein … ich konnte das nicht einfach vergessen.
Ich drückte die Zigarette aus und ging weiter die Straße entlang.
Es kostete mich ziemlich viel Überwindung, die Hand zu heben und an die Tür zu klopfen, aber ich wusste, wenn ich es jetzt nicht tat, würde ich es vielleicht nie schaffen. Tu’s einfach , sagte ich mir. Denk nicht drüber nach, sondern tu’s einfach.
Ich holte Luft …
Und dann tat ich es.
Ich klopfte.
Danach trat ich zurück und wartete.
Ich ertappte mich, wie ich dachte: Du hättest dich rasieren oder wenigstens die Haare kämmen sollen.
Ich fuhr mir mit der Hand durch das Fiasko meiner regennassen Haare.
Ich steckte die Hände in die Taschen …
Nahm sie wieder raus.
Jetzt hörte ich Schritte im Haus. Jemand kam.
Scheiße …
Ich hatte Angst.
Ich hörte, wie ein Schlüssel herumgedreht und Riegel zurückgeschoben wurden, dann öffnete sich die Tür ein paar Zentimeter – so weit, wie es die Sicherheitskette erlaubte – und Serina Mayo spähte argwöhnisch durch den Spalt.
»Ja?«
»Serina?«, sagte ich und gab mir Mühe, freundlich zu wirken.
»Was wollen Sie?«
»Ich bin John Craine«, erklärte ich ihr. »Ich glaube, Sie kannten meinen Vater …«
Es war offensichtlich ein ziemlicher Schock für sie – was man leicht nachvollziehen konnte –, doch nachdem ich ihr klargemacht hatte, dass sie nicht mit mir reden müsse, wenn sie nicht wolle, und ich gehen würde, wenn ihr das lieber war, entspannte sie sich allmählich ein bisschen. Sie war zwar noch immer einigermaßen misstrauisch, als sie mich hereinbat und mir eine Tasse Kaffee kochte, doch ich gab mir alle Mühe, sie zu beruhigen.
»Es tut mir leid, dass ich so unangekündigt hier aufkreuze«, sagte ich und folgte ihr ins Wohnzimmer. »Ich hatte erst überlegt, ob ich anrufen oder einen Brief schreiben soll oder so was, aber ich fand … na ja, es schien mir einfach ein bisschen unpersönlich.«
»Bitte«, sagte sie und deutete auf den Sessel am Fenster. »Setz dich.«
Ich setzte mich hin.
Sie blieb stehen. »Es macht wahrscheinlich wenig Sinn zu fragen, wie du mich gefunden hast.«
»Wie meinen … äh … wie meinst du das?«
»Du bist doch Privatdetektiv, oder?«
»Woher weißt du das?«
Sie grinste. »Du warst vor einer Woche oder so in den Sky-News – die Geschichte mit dem Reporter, dem du gesagt hast, er soll sich verpissen. Und in den Zeitungen stand die ganze Sache von diesem vermissten Mädchen, das du gefunden hast, und ihrem Mörder. Ich meine, bis zu der Pressekonferenz wusste ich nicht genau, ob du Jims Sohn bist … aber als die Polizei anfing, über deine Frau zu reden …«
»Verstehe …«
Serina sah mich an. »Ich erinnere mich daran … als sie umgebracht wurde. Es war nicht lange nach Jims Tod, stimmt’s?«
Ich nickte. »Ungefähr achtzehn Monate.«
Sie seufzte. »Ich habe mich immer gefragt …«
»Was?«
Sie setzte sich hin und zog eine Schachtel Zigaretten hervor. »Stört es dich?«
»Ich rauch auch eine«, sagte ich und fasste nach meiner.
Sie hielt mir ihre Schachtel hin. »Nimm eine hiervon.«
Wir zündeten beide unsere Zigarette an und Serina reichte mir einen Glasaschenbecher.
»Jim mochte es nicht, dass ich rauche«, sagte sie lächelnd. »Entschuldigung, ich vergesse immer … ich sollte ihn nicht Jim nennen.«
»Schon gut.«
»Sicher?«
»Ja.«
Sie inhalierte kräftig. »Gott, das ist alles so seltsam … Ich meine, ich habe mich immer gefragt, ob du wohl irgendwann auftauchen würdest, aber mir war nicht mal klar, ob du überhaupt von mir weißt. Und selbst wenn …« Sie zuckte mit den Schultern. »Nun ja, ich glaube, ich war mir irgendwie sicher, du würdest mich genauso hassen, wie mich deine Mutter gehasst hat.«
»Ich hasse dich nicht.«
»Wieso nicht? Ich habe doch alles ruiniert.«
»Er hat dich ja wohl geliebt.«
»Wieso sagst du das?«
»Ist doch die Wahrheit, oder?«
»Ja, schon … aber – «
»Es ist das Einzige, was Sinn macht«, sagte ich. »Ich hatte nie einen besonders engen Draht zu meinem Dad, deshalb kannte ich ihn nicht so gut, aber ich weiß, was er für ein Mensch war. Er hätte nie seine Ehe und seine Karriere für jemanden aufs Spiel gesetzt, der ihm nichts bedeutet. Er hätte das einfach nicht …«
»Das hat er auch nicht getan«, sagte Serina leise. »Natürlich wussten wir beide, dass es nicht richtig war, aus allen möglichen Gründen, und wir haben beide ernsthaft versucht zu verhindern, dass es
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