Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
passiert, aber das war … einfach unmöglich. Wir haben uns geliebt und es gab nichts, was wir dagegen tun konnten …« Sie schüttelte den Kopf. »Gar nichts.« Sie schwieg eine Weile und starrte zu Boden, tief in Gedanken, und als sie wieder zu sprechen begann, kam nur ein heiseres Flüstern heraus. »Es ist so schwer zu erklären … ich meine, ich weiß, wie das wirken muss – eine verkorkste Achtzehnjährige und ein verheirateter Mann mittleren Alters … Aber so war es nicht. Wirklich nicht. Jim hat mich nicht ausgenutzt oder so, wir … wir mochten uns. Er war der erste Mensch, der mir Respekt entgegengebracht hat. Mich als Mensch behandelt hat. Und der auch an mich glaubte. Er war freundlich, fürsorglich … alles, was ich nie gekannt hatte. Und wir haben nichts Unrechtes getan. Ich meine, bis zum Ende des Symons-Prozesses haben wir ja nichts angefangen …« Sie unterbrach sich und sah mich an. »Weißt du über Symons Bescheid?«
Ich nickte. Mein Vater war Polizeibeamter gewesen und er hatte Serina bei den Ermittlungen gegen einen pädophilen Serientäter namens Mark Symons kennengelernt. In den frühen Achtzigerjahren hatte Symons in Hey einen Jugendclubgeleitet, der sogenannten Problemkindern helfen sollte – sie von Drogen, Alkohol, Kleinkriminalität abhalten und so. Der Club wurde gemeinsam mit der Polizei und den örtlichen Behörden organisiert und erst fast ein Jahrzehnt später kamen die Anschuldigungen gegen Symons auf. Bis dahin war er gesellschaftlich weit aufgestiegen – 1987 zum Leiter der Dienststelle befördert, ein paar Jahre später zum Stadtrat gewählt und Anfang 1992, gerade als mein Vater ihn verhaftete, hatte man ihn zum Kandidaten als künftiger Parlamentsabgeordneter für Harwich gekürt.
Serina war eines seiner Opfer gewesen.
Ich sah sie an. »Wie alt warst du damals?«
»Zwölf«, antwortete sie, drückte ihre Zigarette aus und zündete eine neue an. »Ich war zwölf Jahre alt, als der widerliche Bastard anfing, mich zu ficken …«
»Verdammt …«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ging eine Ewigkeit so, er hat Dutzende Kinder fertiggemacht … meistens Mädchen, aber auch ein paar Jungs. Ihm war es scheißegal. Wir hatten alle zu viel Angst vor ihm, um uns zu wehren. Sogar nachdem er verhaftet wurde, waren die meisten zu ängstlich, sich als Zeugen zu melden. Symons hatte viele einflussreiche Freunde – Politiker, Richter, Polizisten …« Sie sah mich an. »Du kennst doch sicher Mick Bishop, oder?«
»Ja, den kenn ich.«
»Er hatte irgendeine Verbindung zu Symons. Dein Vater wusste das und er ging davon aus, dass Bishop Infos über die Ermittlungen an Symons weitergab. Aber beweisen konnte er es nicht. Und das Problem war: Das Einzige, was er gegen Symons in der Hand hatte, waren die Aussagen der Kids, die dieses Schwein missbraucht hatte. Und auch wenn wir damals keine Kids mehr waren – die meisten von uns hatten noch ziemliche Probleme, deshalb war die Wahrscheinlichkeit, dass man uns nicht glauben würde, ziemlich groß.«
»Und wie hat es Dad geschafft, dich zur Aussage zu überreden?«
Sie lächelte. »Er war einfach total ehrlich … zu uns allen. Er sagte, er könnte uns nichts versprechen, er könnte nicht garantieren , dass er es schaffen würde, Symons ins Gefängnis zu bringen. Aber er war zuversichtlich, dass die Wahrheit schließlich ans Licht käme, wenn wir nur alle zusammenhielten und an das glaubten, was wir taten.« Sie nahm einen kräftigen Zug von der Zigarette und atmete den Rauch in einem langen Strom wieder aus. »Egal, Jim und ich haben wie gesagt erst nach Prozessende was miteinander angefangen und sogar da lief nichts Richtiges zwischen uns. Die meiste Zeit haben wir nur geredet, verstehst du? Ich war es, die mehr wollte. Jim sagte immer wieder Nein, er könnte nicht … du weißt schon … es wäre verkehrt.« Sie seufzte. »Wir haben überhaupt nur ein einziges Mal miteinander geschlafen.«
»Echt?«
Sie nickte. »Danach ging alles schief. Symons’ Verurteilung wurde vom Berufungsgericht aufgehoben und ein neuer Prozess angesetzt, das heißt, plötzlich war ich wieder Zeugin und Jim wieder Chefermittler. Wir wussten beide, dass das Wiederaufnahmeverfahren eine Farce war, dass irgendein krummes Ding lief … und dann …« Sie seufzte noch einmal. »Na ja, den Rest weißt du ja sicher.«
Im Januar 1992 war mein Vater in den Besitz eines Videos gelangt, das Mick Bishop und zwei andere Polizeibeamte zeigte, wie sie einen Drogendealer
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