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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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folterten und ihm fünf Kilo Kokain abknöpften. Nachdem mein Vater das Band und weiteres belastendes Material an seinen direkten Vorgesetzten, DCI Frank Curtis, übergeben hatte, wurde er plötzlich beschuldigt, Beweise zu fälschen und unwahre Aussagen über einen Kollegen zu verbreiten in der Absicht, dessen Karriere zu ruinieren. Bis zur völligen Aufklärung war er vom Dienst suspendiert und drei Wochen später wurdenfünfundzwanzigtausend Pfund in bar und zwei Kilo Kokain im Spind meines Vaters »entdeckt«, außerdem gab es eindeutige Beweise für sein unangemessenes Verhältnis zu Serina.
    Zwei Tage danach brachte er sich um.
    Jetzt sah ich Serina an und versuchte mir vorzustellen, wie sie sich damals gefühlt haben musste. Das war fast unmöglich, doch ich sah an dem Ausdruck in ihrem Gesicht – ihrem verlorenen Blick, der Leere, dem tief sitzenden Leid –, dass sie nie drüber hinweggekommen war.
    »Hat er mit dir drüber gesprochen, bevor er sich umbrachte?«, fragte ich leise.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sobald das Wiederaufnahmeverfahren angesetzt war, erklärte mir Jim, dass wir uns nicht mehr sehen könnten. Ungefähr einen Monat vor seinem Tod habe ich das letzte Mal mit ihm gesprochen.«
    »Wie ging es ihm da?«
    »Wie meinst du das?«
    »In was für einem Zustand war er? Ich meine, gab es irgendwas … irgendeinen Hinweis …?«
    »Dass er sich umbringen würde?«
    »Ja.«
    Sie seufzte. »Nicht wirklich. Aber das war bei Jim immer schwer zu sagen. Er hatte ziemlich starke Depressionen, an manchen Tagen war es so schlimm, dass er kaum reden konnte, aber selbst da …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, er hatte einfach etwas an sich, eine Kraft, eine innere Überzeugung … er ist mir nie wie jemand vorgekommen, der sich umbringen würde.« Sie sah mich an. »Aber da lag ich wohl falsch.«
    »Du hattest ihn ungefähr einen Monat lang nicht gesehen«, sagte ich. »In einem Monat kann viel passieren.«
    »Vielleicht …«
    »Wusstest du, dass er suspendiert war?«
    »Ich wusste überhaupt nichts. Ich wusste nicht mal, dass er tot war, bis ich es in der Zeitung gelesen habe. Alles andere– seine Suspendierung, die Korruptionsvorwürfe, die Tatsache, dass jemand uns hinterherspioniert hatte … ich hab erst Monate später davon erfahren.«
    »Du weißt, dass er alles abgestritten hat?«
    »Alles?«
    »Fast alles. Die Beziehung zu dir hat er nicht geleugnet, aber alles andere – das Geld und die Drogen, die sie in seinem Spind fanden, die Vorwürfe, er hätte Beweise gegen Bishop gefälscht – «
    »Bishop hat ihn reingelegt.«
    »Woher weißt du das?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Bishop war korrupt … ist es immer noch. Bishop musste Jim fertigmachen. Ganz einfach.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Und nachdem er Jim aus dem Weg geräumt hatte, war auch das Wiederaufnahmeverfahren gegen Symons vom Tisch. Woran er Symons bestimmt immer wieder erinnert hat.«
    »Es gab kein Wiederaufnahmeverfahren?«
    Sie schüttelte erneut den Kopf. »Meine Aussage war nichts mehr wert, weil ich mit Jim geschlafen hatte. Jim war tot, sein Ruf ruiniert. Und die meisten anderen Zeugen hatten plötzlich beschlossen, dass sie doch nicht mehr aussagen wollten. Also ging alles den Bach runter.«
    »Symons musste also nicht in den Knast?«
    »Nein.« Sie lächelte kalt. »Zuletzt habe ich gehört, dass er jetzt für die Europäische Kommission in Brüssel arbeitet … Es geht ihm anscheinend sehr gut.«
    »Und dir?«, fragte ich.
    »Mir?«
    »Ja. Was ist mit dir passiert?«
    »Nachdem Jim tot war?«
    »Ja.«
    »Nichts … nichts ist mit mir passiert. Ich war einfach … ich war wieder da, wo ich angefangen hatte. Ich war wieder ein Niemand. Ein Nichts, ein beschissenes kleines Nichts.«
    Ich zündete eine Zigarette an. »Wann hast du herausgefunden, dass du schwanger warst?«
    Sie sah mich an, mit einem vorsichtigen Blick, und für einen Moment dachte ich, sie würde mich anlügen oder mir erklären, dass mich das nichts anginge, oder vielleicht einfach sagen, ich solle verschwinden. Doch als ich einen kräftigen Zug von der Zigarette nahm und die Asche in den Aschenbecher schnippte, sah ich die Vorsicht aus ihrem Blick verschwinden und wusste, dass sie sich entschieden hatte, ehrlich zu mir zu sein. Während sie sich in ihrem Sessel nach vorn beugte und anfing zu sprechen, spürte ich plötzlich, wie sich mein Herz zusammenzog.
    »Das war etwa zwei, drei Wochen nach Jims Tod«, sagte sie leise.

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