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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sich mir anvertraut … mir gezeigt, wie offen und ehrlich er war. Warum hätte ich ihm da nicht glauben sollen?
    »Schauen Sie«, sagte er leise. »Ich will Ihnen ja gar nicht sagen, was Sie tun sollen oder so, und mir ist klar, wie verwirrend das alles für Sie sein muss … Ich meine, wenn ich überzeugt wäre, ich hätte eine Leiche gesehen, würde ich mich sicher genauso fühlen. Ich verstehe, was Sie durchmachen, John, ehrlich. Aber ich sage nur – «
    »Ich soll aufhören, herumzuschnüffeln, darum geht’s, oder?«
    Er grinste. »Schnüffeln Sie, so viel Sie wollen. Ist Ihre Sache, ob Sie Ihre Zeit verschwenden. Aber es könnte sehr unangenehm werden, wenn Sie anfangen, Außenstehende einzubeziehen … Verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich nickte. »Wissen Sie, für mich wäre das sowieso ausgesprochen unangenehm … wenn ich zur Polizei in Hey ginge und denen dort klarmachen wollte, ich hätte ein totes Mädchen gefunden, aber dann sei die Leiche auf einmal weg gewesen.« Ich lächelte. »Schließlich muss ich auf meinen Ruf achten. Wer beauftragt schon einen unzurechnungsfähigen Privatdetektiv?«
    Garrow lachte. »Ein Idiot vielleicht.«
    »Genau«, antwortete ich. »Ich meine, ich könnte mich natürlich spezialisieren. Nachforschungen für Geisteskranke und Behinderte …«
    »Ist vielleicht nicht der sicherste Markt.«
    Ich nickte, grinste und stand auf.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte Garrow.
    »Eine rauchen.«
    »Setzen Sie sich«, sagte er. »Sie können auch hier drinnen rauchen.«
    Ich schaute mich um und bemerkte überrascht, dass kaum mehr jemand in der Bar war und einige rauchten, auch derBarkeeper. Als ich mich wieder hinsetzte und eine Zigarette anzündete, schaute Garrow hinüber zu dem Tisch an der Tür, wo Stevie und Robyn mit ein paar andern einen Joint rauchten.
    »Hey!«, rief Garrow ihnen zu. »Kriegen wir hier drüben auch was ab?«
    Etwa um diesen Dreh herum – kurz nachdem Stevie und Robyn an unseren Tisch gekommen waren und ich ein paar Züge von dem Joint genommen hatte – begann ich mich plötzlich merkwürdig zu fühlen. Zuerst glaubte ich, es wäre nur die Übelkeit, die ich vorhin schon mal gespürt hatte, doch auch wenn dieses Gefühl von meinem Magen ausging und mich durchaus an Übelkeit erinnerte, war irgendwas daran anders. Da war kein Würgen, eher eine gewisse Taubheit, eine kribbelnde Taubheit … bloß innerlich. Es war kein unangenehmes Gefühl, nur völlig ungewohnt, und auch wenn es mich eine Weile beunruhigte – wie alles, was man noch nie gespürt hat –, merkte ich, als sich die kribbelnde Taubheit in meinem Körper ausbreitete, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Es war ein Gefühl von Wärme, ein gutes Gefühl, beruhigend und sanft … als würde mir jemand langsam Honig einträufeln. Ich musste mir wirklich keine Sorgen machen …
    »Alles okay, John?«, hörte ich Garrow fragen.
    Und ich merkte, dass meine Augen geschlossen waren. Ich schlug sie auf, blinzelte eine Wolke kleiner Sterne weg und schaute mich am Tisch um. Lloyd war dazugekommen, Lloyd, der Pferdeschwanztyp … und auch der Mann vom Kutter, der Brutale … und ich sah, wie mich Robyn beobachtete, wie sie ihr Lächeln vor Stevie verbarg … und wie Stevie sich einen neuen Joint drehte …
    Skunk , dachte ich. Das ist es wahrscheinlich. Skunk. Wir rauchen Skunk … daher kommt das Gefühl …
    »John?«, fragte Garrow wieder.
    »Ja?«
    »Wie geht’s?«
    »Wunderbar«, murmelte ich. »Ging mir noch nie besser, verdammt.«
    Er starrte mich noch eine Weile mit völlig leerem Gesichtsausdruck an, und als ich zurückschaute und tief in seine Augen blickte, sah ich überhaupt nichts.
    Es herrschte nur Leere dort, wo seine Augen hätten sein müssen. Und für einen irrealen Moment waren wir ein und dasselbe: nichts und nichts.
    Er blinzelte einmal, dann lächelte er und sagte: »Ich hab Ihnen noch einen Whisky geholt.«
    Als ich tief Luft holte und den Atem langsam wieder ausstieß, spürte ich den Sauerstoff in der Lunge, spürte, wie er in mein Blut sickerte, spürte jede Zelle in meinem Blut. Und jede einzelne fühlte sich wohl.
    Ich fühlte mich wohl.
    Perfekt.
    Warm und schwerelos …
    Ich spürte überhaupt nichts.
    Ich zündete eine Zigarette an und griff nach dem Whiskyglas.

19
    Ich weiß nicht, wie lange ich am Ende mit Garrow und den andern zusammensaß und die Nacht hindurch trank und rauchte, denn irgendwann verlor ich jedes Zeitgefühl. Und nicht nur, weil meine Uhr kaputt war –

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