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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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den Wirt hier. Für besondere Anlässe hat er ein paar hübsche Sorten Scotch auf Lager. Lassen Sie uns was zusammen trinken. Wie klingt das?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, warf er einen Blick auf Lyle Keanes immer noch reglosen Körper, dann drehte er sich zu dem Pferdeschwanztypen um und sagte: »Bring das in Ordnung, Lloyd.«
    Während wir die Herrentoilette verließen und zur Bar zurückgingen, rätselte ich immer noch, was für ein Spiel Garrow eigentlich spielte. Wieso plötzlich diese Freundlichkeiten?Wieso die Entschuldigung? Und wieso hatte er mich vor diesen Jogginganzug-Heinis gerettet? Das ergab keinen Sinn. Aber nichts an diesem Abend hatte bis jetzt einen Sinn ergeben, und als Garrow mich zu einem Tisch am Ende der Bar führte und dem Barkeeper im Vorbeigehen ein Zeichen gab, wusste ich, dass es nur eine Möglichkeit gab, das herauszufinden: Ich musste sein Spiel mitspielen.
    Also setzte ich mich, Garrow setzte sich mir gegenüber und innerhalb kürzester Zeit hatte uns der Barkeeper zwei ordentliche Mengen Whisky in Kristallgläsern auf den Tisch gestellt. Garrow bedankte sich nicht bei ihm, er sah ihn noch nicht einmal an, doch der Barkeeper lächelte ihn dennoch so servil an, als wäre Garrow ein Mitglied des Königshauses.
    »Also Prost«, sagte Garrow und griff nach einem der Gläser.
    Ich nahm das andere, wir stießen an und ich trank einen kräftigen Schluck. Es war wirklich ein sehr guter Whisky – weich und rauchig, mit einem leicht torfigen Nachgeschmack … was bei mir reine Verschwendung war. Ich wäre auch mit einem einfachen Teacher’s oder Bell’s zufrieden gewesen. Aber sei’s drum. Es war Whisky, er war okay. Und er war umsonst.
    Ich trank noch einmal.
    Das half.
    Garrow beobachtete mich amüsiert. »Besser?«
    Ich nickte. »Besser als nichts.«
    »Und jetzt erzählen Sie«, sagte er und lehnte sich lässig zurück. »Was haben Sie mit Lyle Keane angestellt, dass er so angefressen war?«
    Den Unterschied zwischen einem Psychopathen und einem Soziopathen habe ich nie richtig verstanden – und um ganz ehrlich zu sein, ist er mir auch ziemlich egal. Im Lauf der Jahre bin ich solchen Leuten jedenfalls oft genug begegnet und weiß, dass sie fast hypnotisierend charmant sein können.Auch wenn wir uns alle gern einbilden, wir wären viel zu schlau, um auf irgendwelche emotionalen Tricks reinzufallen, merken die meisten von uns – falls sie nicht haarsträubend offensichtlich daherkommt –, die Täuschung erst, wenn alles zu spät ist … und selbst dann können wir es nur schwer glauben.
    Natürlich hilft es, so jemandem von vornherein nicht zu trauen, was bei mir der Fall war, und ich hatte ja auch den Vorteil, zu wissen – oder zumindest davon ausgehen zu können –, dass Garrow tatsächlich ein Psychopath/Soziopath war und daher perfekt imstande, als verbindlicher, charmanter, angenehmer Mensch rüberzukommen. Doch obwohl ich wusste, dass bei ihm alles nur Heuchelei war und hinter der Maske nichts auch nur ansatzweise Verbindliches oder Angenehmes steckte, brachte er es fertig, dass ich mich seltsam entspannt fühlte. Und während wir so zusammensaßen, redeten und tranken, musste ich mir immer wieder sagen, dass das alles eine Täuschung war: Wir saßen eben nicht bloß entspannt zusammen, redeten und tranken, sondern Garrow war entweder hinter irgendwas her oder hatte irgendwas vor, und wenn ich die Wahrheit herausfinden wollte, musste ich unbedingt meine Sinne zusammenhalten.
    Doch das war wirklich schwer. Zum Teil wohl deshalb, weil alles anfing zu wirken: der Alkohol und die Drogen, der Schock und die Verwirrung der letzten Stunden, das immerwährende Murmeln des schwarzen Orts. Meine Sinne waren einfach überreizt. Doch es war auch deshalb schwer, auf der Hut zu sein, weil Garrow tatsächlich angenehm wirkte. Er sprach nicht nur mit mir, er ging auch auf mich ein, stellte mir Fragen über meinen Job, mein Leben, meine Ansichten, und obwohl ich anfangs sehr vorsichtig war – ich hielt meine Antworten so einfach wie möglich und gab eigentlich überhaupt nichts preis –, war er doch so ein guter Zuhörer und sein Interesse an mir schien so ehrlich, dassich mich bald immer weiter öffnete. Ich erzählte ihm zwar letztlich nichts, was er nicht bereits wusste, und hatte auch immer noch halbwegs im Kopf, dass alles, jedes Wort, jede Geste, jeder Gesichtsausdruck von ihm eine gezielte Täuschung sein konnte, aber irgendwie schien das nicht mehr wichtig. Und als Garrow wieder

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