Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
sagte ich und lächelte ihn an. »Worauf wartest du?«
Sie waren nicht so dumm wie Lyle, und als sie sich in einer Art Halbkreis aufstellten und vorsichtig Schritt für Schritt näher kamen, war deutlich, dass sie ganz genau wussten, was sie vorhatten. Mir war auch ohne großes Überlegen klar, dass es nicht gut für mich aussah. Weglaufen ging nicht, aber wenn ich blieb, wo ich war, und mich ihnen stellte, hatte ich keine Chance. Die einzige andere Möglichkeit – mich in die Kabine einzuschließen – würde sie auch nur kurzfristig aufhalten. Sie würden die Tür eintreten und ich hätte höchstens ein paar Sekunden mehr …
Sie waren jetzt nur noch wenige Schritte entfernt – die Augen starr, die Muskeln angespannt, zum Zustechen bereit …
Ich schob mich zurück zur Kabine.
Ein paar Sekunden waren besser als gar nichts …
Eine Hand packte meinen Knöchel, ich schaute nach unten und sah, wie mich Lyle aus seinem blutüberströmten Gesicht angrinste, während er beide Arme um meine Beine schlang, sich an mir festkrallte, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte … Ich versuchte nach ihm zu treten, um seinen Griff zu lösen, doch er hielt mich fest umklammert. Und jetzt stürzte sich der erste seiner Kumpel auf mich, zielte mit dem Messer auf mein Gesicht, und auch wenn es mir gelang, ihn am Handgelenk zu packen und die Klinge zur Seite zu lenken, sah ich doch schon die beiden andern auf mich zukommen. Ich stieß mein Messer in die Richtungdes einen und zwang ihn vorübergehend zum Rückzug, doch das gab dem andern die Chance, auf die er nur gewartet hatte. Als er mir sein Messer entgegenreckte und auf meinen Bauch zielte, wusste ich, dass ich nichts dagegen tun konnte.
Ich sah das Grinsen in seinem Gesicht …
Weiße Zähne …
Ein silbernes Aufblitzen …
Ich wappnete mich …
Plötzlich wich der Typ zurück, eine tätowierte Hand in seinem Nacken, und ich hörte einen dumpfen Schlag. Auch der zweite Junge taumelte rückwärts, hielt sich den Kopf, und als eine eiskalte leise Stimme sagte: »Verdammt, Jase, was soll das?«, sah ich in den Augen des ersten Jungen Angst aufblitzen und fast im selben Moment ließ er das Messer fallen und zog sich zurück. Da trat von rechts Ian Garrow in mein Blickfeld, mit einem gelassenen Lächeln im Gesicht. Die tätowierte Hand gehörte, wie ich jetzt sah, dem Pferdeschwanztypen – er stand hinter Garrow und starrte den drei Jungs hinterher, die kleinlaut Richtung Tür marschierten.
»Alles okay, John?«, fragte Garrow.
»Äh, ja … glaub schon.«
Er schaute auf Lyle, der noch immer meine Beine festhielt.
Lyle grinste ihn ängstlich an. »Was ist?«, murmelte er. »Wir haben doch nur – «
Garrow trat ihm kräftig gegen den Schädel – ein Mal, zwei Mal – und Lyle sackte wieder zu Boden.
»Verdammter Idiot«, sagte Garrow kopfschüttelnd. Er warf einen Blick über die Schulter und beobachtete, wie die Jungs in ihren Jogginganzügen verschwanden, dann drehte er sich lächelnd wieder zu mir um. »Tut mir leid, John. Ist wirklich alles in Ordnung?«
»Ja …«, sagte ich verwirrt. »Ja … alles okay.«
Garrow zuckte die Schultern. »Sind eben Jungs, wissen Sie … die saufen den ganzen Abend, werfen ein paar Pillenein und überdrehen dann ein bisschen …« Er lächelte wieder. »Schuld sind die Eltern. Heutzutage gibt es einfach keine Disziplin mehr, finden Sie nicht?«
Ich nickte, unschlüssig, was ich sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, was hier lief. Als ich in die Tasche fasste, um eine Zigarette herauszuholen, die ich jetzt dringend brauchte, verwirrte mich Garrow noch weiter, indem er ein Feuerzeug hervorzog und mir die Flamme hinhielt.
»Danke«, murmelte ich.
»Hören Sie zu«, sagte er, »wegen der Geschichte unten am Bunker … Sie wissen schon. Ich wollte mich dafür entschuldigen, okay? Stevie hätte nicht so reagieren dürfen.« Garrow grinste. »Manchmal geht es einfach mit ihm durch. Er ist ein bisschen instabil, wissen Sie. Nicht dass das irgendwas besser macht … aber na ja, wie gesagt …« Er zuckte die Schultern. »Ich glaube, es hat uns alle einfach auf dem falschen Fuß erwischt, meinen Sie nicht?«
Ich starrte ihn nur völlig verwirrt an.
»Ich heiß übrigens Ian«, redete er weiter und reichte mir die Hand.
Ich schüttelte sie.
»Ich geb Ihnen einen aus, John, einverstanden? Und wir begraben das Kriegsbeil.«
Begraben das Kriegsbeil? , überlegte ich.
»Kommen Sie schon«, sagte er und fasste mich am Arm. »Ich kenn
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