Bis hierher und nicht weiter
benommen. Stimmte das? Sicher, in den letzten Jahren war sie sehr beschäftigt gewesen. Aber sie hatte sich nie vor der Liebe versteckt, weil sie das Wundervolle erfahren wollte, das ihre Eltern gehabt hatten.
„Du hast deine Brüder als Ausrede benutzt, um die Männer von dir fern zu halten, und jetzt benutzt du meine Weigerung, eine dauerhafte Bindung einzugehen, als Argument, um mich fern zu halten.”
„Das tue ich nicht.” Aber zum ersten Mal zweifelte sie an sich.
In seinen Worten steckte ein Körnchen Wahrheit. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie niemanden mehr nah an sich herangelassen. Mit einer Ausnahme. Sie hatte alles Mögliche unternommen, damit Preston mit ihr zusammen war, und er war davo ngelaufen.
„Wieso machst du es uns beiden dann ständig so schwer? Wie so kämpfst du gegen die eine Sache an, die mich davon überzeugen könnte, dass du echte Zuneigung zu mir empfindest?”
„Was für eine Sache?” fragte sie unsicher.
„Intimität.”
„Davor habe ich ebenso wenig Angst wie du.”
„Nein, du versteckst dich nur davor oder läufst davor davon, weil du es nicht kontrollieren kannst, Lily.”
Darauf hatte sie keine Erwiderung. Es stimmte, dass sie sich vor den Gefühlen fürchtete, die Preston in ihr wecken konnte.
Sie fürchtete sich zudem davor festzustellen, wie weit außerhalb ihrer Liga er tatsächlich war. Und sie fürchtete sich davor, nie mehr jemanden zu finden, bei dem sie sich so lebendig fühlte wie bei ihm.
„Ich versuche nur …”
„… nicht verletzt zu werden”, beendete er den Satz für sie.
„Ist es nicht auch das, was du die ganze Zeit versuchst? Läufst du deswegen immer davon, sobald ich dir zu nahe komme?”
„Ja.”
Seine Aufrichtigkeit rührte ihr Herz. Preston kannte ihre Gefühle, weil er ebenso empfand. Er wandte sich erneut ab, und diesmal hielt sie ihn nicht zurück. Ein Durcheinander von Gefühlen tobte in ihr. Sie begehrte Preston mit einer Leidenschaft, die man erlebt haben musste, um sie glauben zu können. Aber sie mochte ihn auch. Es waren die kleinen persönlichen Eigenarten, die ihn menschlich machten. Dinge, über die die Klatschspalten nie berichteten. Wie die Besessenheit von seinem Wagen und sein Drang, immer zu gewinnen. Und die Art, wie er ihr eine Seite des Lebens vermittelte, die sie stets verharmlost hatte.
Vielleicht wurde es Zeit für ein weiteres Zitat. Mit ihnen hatte sie immerhin größeren Erfolg gehabt als mit den Paaren, die sie ihm als Beispiele für wahre Liebe genannt hatte. Sie griff in ihre Handtasche und nahm ein kleines Buch heraus, das ihre Hauptquelle darstellte. Sie blätterte darin herum, und plötzlich stieß sie auf die Lösung. Es war ein Zitat von Hannah More: „Liebe denkt nie vernünftig, sie beschenkt überreichlich, wie ein gedankenloser Verschwender, und bangt doch, so wenig getan zu haben.”
Lily schloss die Augen und wiederholte das Zitat. Es kam ihr vor wie die Antwort, aber ganz sicher war sie sich nicht. Sie musste Prestons Forderung nachgeben, damit er erkannte, dass Liebe existierte.
Sie sammelte die Überreste ihres Mittagessens ein und ging langsam zurück zum Hauptgebäude. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Preston überzeugen sollte. Aber Beteuerungen der Liebe würden allein nicht reichen. Es würde mehr dazu nötig sein, als sie je einem Mann gegeben hatte. Sie fragte sich, ob die Tatsache, dass sie Jungfrau war, sie in ihren Bemühungen, Prestons innere Schutzmauern zu überwinden, behindern würde.
Ein Teil des Problems lag in der Vergangenheit. Sie hätte schon blind sein müssen, um nicht mitzubekommen, wie sehr er sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt konzentrierte. Es war nicht ihre Absicht, sein Leben in Ordnung zu bringen. Sie wollte nur einen Weg finden, wie sie beide glücklich werden konnten.
Einen Ort, an dem sie sich beide wohl fühlen würden. Sie war nicht bereit zu Sex ohne tiefer gehende Emotionen.
Der Schlüssel zu allem hieß Verführung. Sie musste äußerst behutsam vorgehen und alles ihr zur Verfügung Stehende einsetzen, um ihn davon zu überzeugen, sie zu lieben. Natürlich hatte sie Angst. Andererseits war es nicht ihre Art, einer Herausforderung auszuweichen.
Preston stand vor der deckenhohen Fensterfront im Büro des Managers des „White Willow House”, das er während der Umbauphase für sich beanspruchte, und sah hinaus. Die Sonne versank am Horizont, und Dunkelheit senkte sich herab. In der Ferne lockten die bunten Lichter von New
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