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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Flasche in der Hand, und starren aufs Wasser.
    »Vor einem Monat oder so«, sagt Bully düster, »war hier noch Eis.«
    Marvel weiß, worauf Bully hinauswill. Vor einem Monat hatte er eine Freundin. Jasmine, deren schwarze Haare fast bis zum Po gehen. Bully und Jasmine waren zweimal zusammen in »Planten un Blomen« zum Schlittschuhlaufen. Bully und Schlittschuhlaufen! Jasmine konnte Pirouetten. Und sie waren drei Mal im Kino. Liebesfilme! Bully und Liebesfilme! Natürlich war sie auch mit bei Onkel Herbie, wenn auch nicht so oft. Irgendwie
fand Jasmine den Platz nicht so prickelnd wie Marvel und die anderen. Mauki, Jojo und Marvel waren zu der Zeit mit keinem Mädchen zusammen, Jasmine war immer die einzige Frau in der Runde, aber für die anderen war das okay, wenn sie mit Bully rumschmuste, Händchen hielt oder immerzu an ihm rumfummelte, wie Mädchen das so tun. Sie gönnten es Bully. Er wirkte irgendwie glücklich, auf so eine witzige Weise entspannt. Ihm fielen in der Zeit echt coole Sprüche ein. Sie hatten immer was zu lachen gehabt. Sie hatten alle was davon, dass es Bully gut ging. Auch die Lehrer, denn Jasmine machte nach der Schule gleich ihre Hausarbeiten und hatte keine Zeit für ihn. Da blieb Bully nichts anderes übrig, als es ihr nachzumachen. Sogar seine Akne hielt sich diskret zurück.
    In der Vorweihnachtszeit war Jasmine natürlich dabei, als sie nacheinander alle Hamburger Weihnachtsmärkte besuchten, Glühwein tranken und in die Zuckerwatte bissen, bis sich ihnen das Zahnfleisch aufrollte, wie Bully sagte. Es war eine super Zeit. Bullys schönste Zeit. Damals trug Bully sogar für eine Weile Jeans, die nicht unten durch den Dreck schleiften. Marvels Mutter konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass Jasmine einen guten Einfluss auf Bully habe. Warum sie dann von einem Tag auf den anderen mit ihm Schluss gemacht hat, wissen sie alle nicht. Bully wohl am allerwenigsten.
    Er könnte ganz leicht fragen. Jasmine besucht die gleiche Schule, sie geht in ihre Parallelklasse. Sie laufen sich, selbst wenn sie es nicht drauf anlegen, täglich mindestens dreimal über den Weg. Marvel hat sogar gemeint, Jasmine würde danach gieren, dass er sie fragt, was eigentlich los gewesen sei. Was ihr an Bully oder an der Beziehung nicht gefallen habe. Man könne das möglicherweise auch von Jasmines Freundinnen erfahren. Aber Bully macht da nicht mit. Er sagt, er renne nicht einem Mädchen hinterher, das ihm per SMS den Laufpass gegeben hat.

    ES REICHT!, hat sie gesimst. Und 10 Sekunden später: MACH MICH JA NIE WIEDER AN! Ist doch eindeutig, oder?
    Andererseits hat Jasmine, soweit sie wissen, auch noch keinen Neuen. Hängt wieder immer nur mit ihrer Mädchenclique rum. Eine von denen trägt neuerdings ein Kopftuch. Auf dem Schulhof, in den großen Pausen, wenn Jasmine mit ihren Freundinnen Arm in Arm an ihnen vorbeigeht, guckt Bully in die Luft. Und Jasmine albert und kichert kein bisschen, wie um zu zeigen, dass sie Bully vermisst.
    Seit vier Wochen geht das schon so. Jetzt muss Bully wahrscheinlich gerade wieder an Jasmine denken, wie ungefähr zehnmal am Tag.
    Marvel grübelt, wie er die Situation retten kann, aber ihm fällt nichts ein. Da ruft Onkel Herbie, der einen sechsten Sinn für die Stimmung seiner Kunden hat: »Ey, was ist mit euch Indianern? Braucht ihr noch einen Stimmungsaufheller?«
    Als hätte er nur darauf gewartet, atmet Bully tief durch, wie die Helden in den wirklich guten Kinofilmen, stößt sich vom Brückengeländer ab, schnappt die Flasche und hält sie hoch. »Mit einem Messer im Rücken«, ruft er trotzig, »gehen wir noch lange nicht nach Haus. Mein Freund Marvel nimmt auch noch eins.«
    »Meine Kohle ist alle«, lügt Marvel. Er wolle kein Bier mehr. Bully lässt sich nicht abwimmeln. »Macht nichts. Ich geb einen aus.« Er grinst. »Du kannst mich ja einladen, wenn in deiner Hose die neuen Scheine knistern.«
    »Du Arsch.« Marvel boxt ihm in die Seite und Bully schwankt, als würde er gleich umkippen. Marvel fühlt sich wie Bruce Willis.

3
    A m nächsten Tag in der großen Pause trifft Marvel auf dem Weg in die Cafeteria auf Frau Thieleke. Sie strahlt wie immer, wenn sie ihn sieht.
    »Marvin! Wie schön! Zu dir wollte ich gerade.«
    Sie zieht Marvel am Ärmel in den Erker auf dem Treppenabsatz zwischen dem zweiten und dem dritten Stock. Marvel bleibt stehen. Die anderen Schüler schlurfen, tänzeln oder drängeln an ihnen vorbei. Marvel und die Lehrerin sind wie eine Insel im

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