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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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für ein Scheißschuppen!«, schimpft Bine, während sie Marvel vor sich her in Richtung Klo schiebt.
    Marvel geht jetzt gerade. Er hat das Gefühl, dass er vielleicht doch nicht kotzen muss. Aber als er das Bine sagen will, schwappt wieder gallige Flüssigkeit in seine Mundhöhle. Er presst schnell die Hand vor den Mund.
    »Platz da!«, ruft Bine, als sie vor dem Herrenklo ankommen, »meinem Freund geht gerade noch mal was durch den Kopf!«
    Sofort öffnet sich eine Gasse und Marvel kann ungehindert vorwärtsstolpern, die Schwenktür fällt hinter ihm zu, vor ihm nur weiße Keramik und leuchtende Wasserhähne, die Pissrinne und die Klos. Erleichtert stürzt Marvel in eine Kabine und umarmt die Kloschüssel.
    Als er sein Gesicht notdürftig gewaschen, das Hemd in die Hose gestopft und seine Hände abgetrocknet hat, kommt er aufrecht aus dem Waschraum.
    Vor der Tür steht Bine und schwenkt einen Zwanziger.
    Marvel hat keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.
    »Der Arsch wollte mir erst nicht rausgeben«, sagt Bine, als sie sich bei Marvel einhängt und mit ihm zum Ausgang geht. »Mit dem musste ich erst mal ein paar Takte reden. Ich hab ihm einen Zehner als Trinkgeld gegeben. War das okay?«
    »Danke«, nuschelt Marvel. Ihm ist schon wieder übel, obwohl er sich gerade erst die Seele aus dem Leib gekotzt hat.
    »Lass stecken. Die Frage ist: Wo wohnst du? Wie kommst du nach Hause?«
    Sie stehen jetzt draußen vor dem MOVES. Der Türsteher ist nicht mehr da. Ein Taxi hält vor dem Eingang und jemand schiebt einen Besoffenen hinein. Ein Sportwagen rast mit aufgeblendeten Scheinwerfern vorbei. Marvel versucht ihm hinterherzugucken.

    »Maserati«, nuschelt Marvel.
    Bine schnaubt verächtlich. »Ist doch’ne Nuttenschleuder. Also noch mal: Wo wohnst du?«
    »Schlüterstraße …«, antwortet Marvel. Er kann wieder besser sprechen. Es ist doch ein Vorteil, wenn die Speiseröhre nicht mehr bis oben voll ist. Er kann auch ausatmen, ohne Angst, dass er gleich wieder würgen muss.
    »Wo ist das denn?«, fragt Bine.
    Marvel erklärt es ihr.
    »Kommst du da allein hin?«, fragt Bine.
    Marvel grinst. Er richtet sich auf. Wenn er tief durchatmet, bekommt sein Gehirn einen Schock von dem vielen Sauerstoff. »Na klar.«
    »Okay.« Bine küsst ihn. »Ich muss nämlich genau in die andere Richtung. War schön mit dir.«
    Marvel lächelt. »Find ich auch«, sagt er.
    Sie schauen sich an. Marvel macht nichts. Er wartet. Bine stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn. Verzieht das Gesicht. »Richtig gut riechst du nicht«, sagt sie.
    Marvel zuckt hilflos lächelnd mit den Achseln.
    »Ich würde eine Dusche empfehlen«, sagt Bine, »falls du so was hast.«
    »Klar habe ich’ne Dusche.«
    »Dann bist du ein Glückspilz.« Sie geht ein paar Schritte von ihm weg.
    Er steht stocksteif da und schaut ihr nach. Sein Gehirn arbeitet nicht auf Hochtouren. Er weiß, wenn er ehrlich ist, nicht, was er jetzt machen soll. Wohin er gehen soll. Wie er nach Hause kommen soll.
    Bine bleibt stehen, schaut ihn an, kommt zu ihm zurück.
    »Du kommst durch?«, fragt sie. In ihrer Stimme kann Marvel eine Besorgnis ausmachen. Das rührt ihn so, dass er am liebsten
hier und auf der Stelle in Tränen ausgebrochen wäre. Aber er kann sich beherrschen.
    »Und ob ich zurechtkomme«, sagt er cool.
    »Wenn du mal Sehnsucht nach mir hast«, sagt Bine, »ich arbeite am Hauptbahnhof, in der Saftbar.«
    »Aha«, sagt Marvel.
    »Hast du das verstanden?«, fragt Bine. »Weißt du, was der Hauptbahnhof ist?«
    Marvel grinst.
    »Und weißt du auch, was eine Saftbar ist?«
    Marvels Grinsen wird ein bisschen breiter. Dabei wird ihm allein schon bei dem Gedanken an eine Saftbar kotzübel.
    »Da findest du mich«, sagt Bine. »Sonntag bis Freitag. Heißen Dank für die Drinks.«
    »War mir’n Vergnügen«, nuschelt Marvel.
    Er möchte, dass Bine jetzt ganz schnell geht, damit er mit dem bisschen Klarsicht, das sich gerade in seinem umnebelten Gehirn zeigt, den Rückweg nach Hause starten kann.
    Er hebt den Arm. »Da nich für«, sagt er. »War voll der Hammer.«
    Sie küsst ihn noch einmal, und da hätte er sie fast festgehalten, aber dann rennt sie los, und Marvel, der ihr nachstarrt, kapiert wieder nicht, wieso sie so nüchtern wirkt und er so besoffen ist.

8
    D as Erwachen ist grässlich. Er weiß nicht mehr, wer er ist, wo er ist und wieso er überhaupt leben kann, mit solch mörderischen Kopfschmerzen.
    Seine Augenhöhlen brennen, er kann das Volumen seiner Augäpfel

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