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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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und sinkt vor der Kloschüssel nieder.
    Als sein Magen nichts mehr hergibt und er blind nach einem Handtuch greift, muss er feststellen, dass er dieses Handtuch in der Nacht offenbar schon einmal benutzt hat, unter ähnlichen Umständen. Früher war das mal ein weißes Frotteehandtuch. Jetzt ist es ein bekotzter Lappen.
    Und die Fußbodenkacheln im Bad waren mal weiß. Wie sie jetzt sind, will Marvel nicht beschreiben. Er will sie nicht mal sehen. Er will überhaupt dieses Bad nicht mehr sehen. So ein Bad darf es gar nicht geben!
    Marvel hängt über dem Waschbecken und lässt kaltes Wasser über seinen Kopf laufen.
    Die Dusche ist nur drei Schritte vom Waschbecken entfernt. Ach was: zwei Schritte. Das muss doch zu machen sein.
    Marvel stützt sich am Waschbecken ab und wirft mit einer halben Körperdrehung seinen Oberkörper nach vorn, in der Hoffnung, dass die Beine nachkommen.
    Es gelingt nicht ganz. Er knallt gegen die Waschmaschine, aber die gibt ihm auch Halt.
    Als er an sich hinuntersieht, muss er feststellen, dass er noch vollständig angezogen ist.
    Wie konnte er das übersehen?
    Andererseits sehen die Sachen aus, als könnten sie auch dringend eine Wäsche gebrauchen.
    Marvel bekommt Panik. Er muss sich zusammenreißen! Seine Mutter darf nichts merken!
    Also entschließt Marvel sich, voll angezogen unter die Dusche zu gehen und sich nach und nach aus seinen Sachen zu pellen. Danach alles in die Waschmaschine.
    Das nasse Zeug vom Körper zu kriegen, ist keine leichte Übung, aber Marvel ist erstaunlich gelenkig. Er selbst hat das Gefühl, er schaue sich dabei zu. Geschickt wie ein Äffchen turnt
er aus seinen Sachen, rutscht in der Dusche dann zwar aus und knallt gegen die Plexiglaswand, aber alles bleibt heil.
    Eine Viertelstunde später wirbeln seine Klamotten zusammen mit einer Schaufel Waschpulver im schäumenden Wasser und Marvel rutscht nackt auf Knien neben einem Scheuereimer her und wischt das Bad. Er zieht es vor, sich jetzt nicht mehr von höherer Warte aus zu betrachten.
    Er zieht es vor, sich eine Auszeit vom Denken zu nehmen.
    Das hier muss man wie ein Roboter hinter sich bringen. Ohne Ekel, ohne Reue, ohne Scham.
    Irgendwie fällt ihm plötzlich das Buch »Per Anhalter durch die Galaxis« ein, und was sein Vater über diesen Roboter Marvin erzählt hat. Dabei will er weder an seinen Vater denken - schon gar nicht jetzt - noch an einen dämlichen Roboter, der Marvin heißt wie er.
    Marvel ist an einem Punkt angelangt, wo er die Existenz depressiver Roboter auf einmal für möglich hält. Sie haben wahrscheinlich in ihrem früheren Leben zu oft vollgekotzte Badezimmer schrubben müssen.
    Miranda. Bine. Er schämt sich.
     
    Marvel hat die Wohnung geputzt, alle Fenster aufgerissen und ist mit einem Raumspray durch die Wohnung gelaufen.
    Als seine Mutter anruft - sie frühstückt gerade mit einer Kollegin und will ihm nur sagen, dass er allein frühstücken muss; der Himmel schickt diese Freundin! -, kann er schon wieder sprechen. Jedenfalls in kurzen Sätzen.
    Wie der Abend gewesen sei? - »In Ordnung.«
    Wo sie denn waren? - »Im MOVES.«
    Wo das sei? - »Schanzenviertel.«
    Wann er nach Hause gekommen sei? - »Keine Ahnung. Hab nicht auf die Uhr geguckt.« Das war der längste Satz.

    Dabei fällt ihm plötzlich eine peinliche Szene mit dem Kellner und Bine ein, in der es um Geld ging.
    »Tschüss!«, brüllt er ins Telefon, wirft den Hörer hin, flitzt ins Bad, stellt die Waschmaschine aus und zerrt all die nassen Klamotten auf den Fußboden. Mit zitternden Fingern zieht er sein nasses Portemonnaie aus den pitschnassen Jeans.
    Die Geldscheine, die er herauszieht, sind nur mehr sehr empfindliche nasse Lappen, die leicht reißen.
    Er flucht. Er breitet die Geldscheine auf einem Handtuch aus und trocknet sie mit heißer Luft aus dem Fön. Er zählt sein Geld nach. Rechnet, überlegt, zählt noch mal.
    Er versucht sich zu erinnern. Kann es sein, dass er 500 Euro dabeihatte - er wollte ein bisschen angeben - und ihn der Abend dreihundert Euro gekostet hat? Kann so was sein? Wenn sein Gehirnmotor nur mal anspränge, dann könnte er nachrechnen und nachdenken. Da war diese hochpeinliche Szene vor dem Klo, er komplett abgefüllt. Da hatte dieses Mädchen ihm doch die Geldbörse weggenommen.
    Bei dem Versuch, seine Gehirnzellen zu aktivieren, durchfährt ihn ein Kopfschmerz, wie er ihn noch nie erlebt hat. Deshalb lässt er es lieber sein und konzentriert sich auf das Nächstliegende. Aufräumen. Spuren

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