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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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verwischen. Seine Mutter darf nichts merken, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt.
    Das Telefon klingelt wieder. Dieses Mal ist es Bully, der wissen will, wie der Rest der Nacht gelaufen ist.
    Marvel legt einfach auf.
     
    Er radelt in den Supermarkt, hakt die Liste ab, die seine Mutter ihm hingelegt hat, und kommt mit zwei prall gefüllten Plastiktüten am Lenker wieder nach Hause.
    Als er gerade sein Fahrrad ankettet, parkt die Familienkutsche der Hernandez vor dem Haus. Miranda und ihre Eltern
steigen aus und laden Kartons vom Baumarkt auf dem Bürgersteig ab. Miranda schaut nur ganz kurz zu Marvel hinüber.
    Marvel richtet sich auf, lächelt und sagt: »Hallo.«
    Miranda tut, als habe sie das nicht gehört.
    Aber María und Carlos Hernandez begrüßen Marvel herzlich und erzählen, dass Miranda ein neues Bücherregal bekommt. Also nicht wundern, wenn gleich eine Bohrmaschine dröhnt. Miranda flitzt an ihnen vorbei ins Haus. Marvel sieht ihr kurz nach, ob sie sich umdreht, damit er weiß, was sie ihren Eltern erzählt hat. Doch sie dreht sich nicht um.
    Mirandas Mutter lächelt ihn an. »Heute kochen wir Paella, unser Nationalgericht. Du bist herzlich eingeladen. Wenn es dich nicht stört, dass alle spanisch sprechen.«
    Heute Abend geht gar nicht. Abgesehen davon, dass Marvels Magen bei dem Gedanken an öligen Reis mit Muscheln, Hühnerfleisch und Paprika bereits reagiert. An Nahrungsaufnahme ist in den nächsten 24 Stunden nicht zu denken. Er ist froh, dass er überhaupt einigermaßen funktioniert. Deshalb erklärt er, höflich und nett wie immer, dass er gern käme, leider aber keine Zeit habe. Der Serienstart sei so erfolgreich verlaufen, dass deswegen heute Abend mit dem Filmteam eine Party steige.
    María Hernandez strahlt ihn an und Carlos Hernandez schlägt Marvel anerkennend auf den Rücken. »Jetzt bist du berühmt, was?«, sagt er. »Jetzt haben wir einen berühmten Nachbarn.«
    Marvel lacht. »Unsinn!«
    Miranda erscheint in der Haustür, auf der Stirn eine senkrechte Falte.
    »Mama, Papa!«, ruft sie. »Qué pasa? No llevó la llave.«
    Marvel weiß genau, warum sie auf einmal spanisch mit ihren Eltern spricht. Um ihm zu zeigen: Hey, du bist mir so was von egal. Ich bemerk dich gar nicht.

    »Ich hab Marvin zur Paella eingeladen!«, ruft María Hernandez. »Aber er hat heute Abend schon wieder eine Party.«
    Wie Miranda ihn da ansieht! Wenn Blicke töten könnten! Marvel versucht es dennoch mit einem Lächeln.
    »Die Filmcrew«, erklärt er. Miranda soll nicht denken, er sei mit dieser himbeerroten Ponyfrisur verabredet. Wie hieß die noch? Ach ja, Bine ohne e. Nein, mit der nicht. »Die haben mich eingeladen.«
    Miranda lässt ihren Blick über die gegenüberliegenden Mietshäuser, die parkenden Autos und die Spatzen schweifen, die in den Pfützen baden. Sie macht Platz, als ihre Eltern an ihr vorbei in den Flur gehen, doch als Marvel ihnen folgen will, knallt sie ihm die Haustür vor der Nase zu.
     
    Mittags kommt seine Mutter nach Hause, ganz fröhlich und aufgekratzt: Zum Frühstück gab’s Prosecco. Eva, das ist Babsi Kellers Freundin, hat einen neuen Job, bei dem sie fast doppelt so viel verdient wie zuvor. Das musste gefeiert werden. Sie arbeitet jetzt bei einem Schönheitschirurgen. Da stehen im Wartezimmer weiße Ledersessel und silberne Tabletts mit Wassergläsern und Karaffen, ein Gärtner kümmert sich um das Terrarium und Paris Hilton hat die Uniformen für das Personal entworfen. »Superschick und sexy«, schwärmt Marvels Mutter. »Wenn ich da an unsere Krankenhauskittel denke!«
    Marvel sitzt senkrecht auf dem Stuhl, die Hände zwischen den Knien, damit seine Mutter nicht sieht, wie sie zittern. Er hält den Kopf gerade, er fixiert seine Mutter, damit ihm das Bild nicht wegrutscht. Sein Kopf besteht zwar nicht mehr aus Fertigbeton, aber eine dumpfe graue Masse ist es immer noch, die gegen die Schädeldecke pocht.
    Gut, dass seine Mutter nichts merkt. Sie läuft in die Küche, freut sich, dass Marvel alles eingekauft hat, und kommt mit zwei
sauber geschabten Möhren zurück. Marvel lehnt ab, er kann kaum zusehen, wie seine Mutter diese Möhre kaut. Eine leichte Übelkeit stellt sich wieder ein.
    Seine Mutter nimmt munter den Gesprächsfaden wieder auf. »Wer weiß, vielleicht sattel ich auch noch mal um. Am Empfang, bei einem Schönheitschirurgen - warum nicht? Ich muss das mal besprechen.«
    Mit DocMike, denkt Marvel. Der schnippelt ja auch an Menschen rum. Die sind zwar tot und

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