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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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sich irgendwie deklassiert auf dem blöden Möbel und steht wieder auf. An die Wand gelehnt, studiert er die Textstelle.
    Offenbar handelt es sich um einen Streit wegen Jules Mutter, die Max wohl nicht ausstehen kann. Irgendwas muss er in der vorangegangenen Szene falsch gemacht haben. Er hat sich danebenbenommen, ganz offensichtlich.
    Jule greift ihn an, er reagiert ruppig und brutal, sodass Jule in »haltloses Schluchzen« ausbricht. Das versetzt Max offenbar einen Schock. Denn da steht: »Max reagiert zunächst geschockt. Er denkt an Flucht. Doch dann besinnt er sich plötzlich, legt seine Hand auf Jules Rücken, den sie ihm zugedreht hat, und sagt leise: »Hey, war echt nicht so gemeint.«
    Mmh, denkt Marvel.
    Und dann sagt er sich: Da musst du jetzt durch. Also okay, ran.

    Er lässt sich mit dem Rücken an der Wand heruntergleiten und bleibt so mit gebeugten Knien hocken und lernt seinen Text.
    Dabei registriert er, wie immer wieder jemand aufgerufen wird, durch eine Tür verschwindet und nicht wieder zurückkommt. Noch mehr Leute kommen. Marvel schenkt jedem Neuen ein Grinsen. Er hat beschlossen, das Ganze cool zu nehmen. Mehr als Ulk, als Spaß. Wenn sie ihn nicht nehmen, muss er diesen Zirkus jedenfalls nie mehr mitmachen.
     
    Das Filmstudio, in das ihn schließlich jemand führt, ist ein hoher, riesiger Raum mit einer schwarzen Decke, von der Kabel baumeln wie Seile, um sich daran aufzuhängen. Und Schienen mit riesigen Scheinwerfern. Doch der größte Teil des Studios liegt im Dunkeln. Marvel muss über Kabel steigen, an Kisten und Requisiten vorbei, an Kulissen, die aussehen wie echte Backsteinwände, an Bäumen aus Plastik. Sogar einen kleinen Kiesweg muss er überqueren. Dann steht er in einem Haus mit vielen Zimmern. Es gibt nur keine Zimmerdecken, kein Dach. Und alles liegt im Halbdunkel, bis er plötzlich vor einer Küchenwand steht. Ein Tisch, zwei Stühle und lauter Kreidekreuze und Zeichen auf dem Fußboden.
    Jemand sagt: »Hallo Marvin, ich bin Atze vom Ton.«
    Der Typ trägt schwarze Klamotten und er hat Kopfhörer auf. Dicke Dinger. Er riecht nach Knoblauch und Mentholkaugummi - keine besonders appetitliche Mischung. Er zeigt auf einen langen Stab, an dessen Ende ein Mikrofon hängt. »Hiermit angle ich den Ton. An das Ding gewöhnst du dich schnell. Und jetzt machen wir eine Tonprobe«, erklärt er, bevor er wieder im Halbdunkel verschwindet.
    Marvel nickt. Er räuspert sich. Er wartet.
    Der Typ wartet.

    Marvel schweigt.
    »Also los«, sagt der Typ.
    Plötzlich gehen über seinem Kopf riesige Scheinwerfer an. Alles wird in gleißendes Licht getaucht. Er blinzelt, sieht auf einmal gar nichts mehr. Nicht einmal den Kameramann hinter der großen Kamera.
    Marvin versucht, den Typen in der Dunkelheit auszumachen. Er hat keine Ahnung, wo der geblieben ist. Er fühlt sich komplett verloren.
    »Was soll ich denn sagen?«, fragt Marvel unsicher.
    »Na, irgendwas. Was dir in den Sinn kommt, ist nur eine Tonprobe.«
    Aber Marvel kommt nichts in den Sinn. Sein Gehirn spuckt nichts aus. Es wäre jetzt natürlich cool, einen richtig witzigen Satz zu bringen, irgendwas, was man den Kumpels erzählen kann, etwas, das ihn zum Hero macht, selbst wenn er dann doch nicht ausgesucht wird. Aber es fällt ihm nichts Witziges ein. Es fällt ihm überhaupt nichts ein. Sein Kopf ist wie ein ausgeschalteter Computer.
    »Okay, machen wir’s uns einfach. Sag einfach eins, zwei, drei. Zählen kannst du?«
    Marvel hasst es, wenn andere cool sind. Auf die Rolle ist er abonniert. Aber er schluckt artig, holt tief Luft und beginnt zu zählen. »Eins, zwei, drei, vier.«
    »Nicht schreien. Ganz normale Lautstärke. Wie du immer sprichst.«
    Marvin wiederholt: »Eins, zwei, drei.«
    »Okay, und jetzt sag mal, wenn dir nichts anderes einfällt, wie du heißt und wo du wohnst.«
    »Ich bin der Marvin, Nachname Keller, aber alle nennen mich Marvel. Soll ich jetzt erklären, wieso?«
    »Mach, was du willst.«

    »Also, ich wohne in Hamburg-Winterhude, in der Schlüterstraße 89, zweiter Stock.«
    »Habt ihr da auch einen Balkon?«
    »Mann, was soll das denn? Verarschen kann ich mich allein«, platzt es aus Marvel heraus.
    »Na siehste, geht doch«, lacht Atze aus dem Dunkel.
    Marvels Aufregung ist wie weggeblasen.
    Aus dem Halbdunkel taucht eine Frau auf, so breit wie hoch, in wallend rote Gewänder gekleidet. Sie schaut auf eine Liste, hebt den Kopf. »Marvin Keller?«, fragt sie. Ihre Stimme ist dunkel und rau wie ein

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