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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Zähringer
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aber trotzdem schon aufgestanden waren, fuhren sie mit dem Auto nach Lissabon. Sie setzten sich in ein Café in der Innenstadt und beobachteten das Gewimmel auf den Straßen der erwachenden Stadt.
    «Lass uns einfach nur herumlaufen. Keine Sehenswürdigkeiten, keine Stadtrundfahrt, lass uns einfach nur spazieren gehen», sagte Anna, nachdem Laska gezahlt hatte.
    Es kam ihr vor, als wäre es eine Ewigkeit her, dass sie das letzte Mal in einer großen Stadt gewesen war. Sie sog die Luft ein – die Abgase, die Gerüche aus den Geschäften und Restaurants, die Ausdünstungen der Straße. Sie war aufgeregt. Ihr war nach Tanzen zumute. Am liebsten hätte sie sich in einer der Bars betrunken.
    Sie kamen an einem Geschäft für Elektronikartikel vorbei, im Schaufenster lief ein Fernseher. Laska fiel ein, dass er ein Zubehörteil für seinen Computer benötigte, und ging hinein. Anna wartete vor der Tür. Unweit des Geschäfts war eine U-Bahn-Haltestelle, Menschen kamen die Treppen hinauf, andere gingen sie eilig hinunter. Und da war sie einen Moment lang – einen ziemlich langen Moment lang – versucht, das Geld sausenzulassen, einfach diese Treppen hinabzusteigen, sich nicht umzudrehen, sondern aus Laskas noch verbleibendem Leben für immer zu verschwinden.
    Sie atmete durch und drehte sich um, fragte sich, wo er blieb, als ihr Blick auf den Fernseher im Schaufenster fiel.
    «Bogdana?», murmelte sie.
    Laska kam zur Tür heraus. «Wie bitte?» Er verstand nicht.
    «Die Frau da im Fernsehen.»
    «Was ist mit der?»
    «Ich kenne sie. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.»
    Der Fernseher zeigte Nachrichten. Bogdana, die gerade von einem Reporter befragt wurde, war eine ehemalige Krankenschwester Gaddafis. «Er hat mich immer gut behandelt. Er ist etwas exzentrisch, aber eigentlich ganz nett.»
    «Da siehst du’s», sagte Anna. «Ich hätte es auch schlimmer erwischen können.»
     
    Am Nachmittag fuhren sie wieder zurück. Sie sah durch die Windschutzscheibe zum Himmel.
    «Es klart auf», sagte sie. «Heute Abend können wir wieder auf die Jagd gehen.»
    Laska holte Luft. «Du kannst gehen.»
    «Wie meinst du das?»
    «Ich meine damit, dass jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt ist, dass du gehst. Fortgehst. Natürlich bekommst du vorher das Geld.»
    «Ich hab ja gar keinen Pass, ich kann nirgendwohin.»
    «Einen Pass können wir beantragen.»
    «Was soll das auf einmal?»
    «Ich denke darüber schon eine ganze Weile nach. Vor allem denke ich darüber nach, wie ich dich da hineinziehen konnte. Das ist nicht dein Leben, du hast damit nichts zu tun.»
    «Hör auf.»
    «Ich habe dich heute in Lissabon gesehen, und mir ist klar geworden, dass es besser für dich ist, wenn du gehst, bevor ich ein sabberndes Wrack bin und diese Zwergin mir die Windeln wechseln muss.»
    Lange sagte sie nichts. Der Himmel war blau, die schnurgerade Straße vor ihnen leer.
    «Nein, ich gehe nicht. Noch nicht. Wer weiß, wie lange du noch lebst, und dann sehe ich von dem ganzen schönen Geld für die Extramonate nicht einen Cent.» Sie nahm ihre Sonnenbrille ab. «Außerdem: Wie willst du deinen Kometen finden? Mit deinen Augen? Ich kann also gar nicht gehen, bevor wir den Kometen gefunden haben.»
     
    Am nächsten Morgen fand sie einen kleinen, kaum wahrnehmbaren Fleck im Sternbild Pegasus. Sie nannte Laska die Position und fragte ihn, was sich an dieser Stelle befinde, in der Annahme, dass es eine weitere weit entfernte Galaxie sei. Laska sah auf den Computer, dann sah er durch das Okular, ging zurück an seinen Computer, und sie sah wieder durch das Okular, beobachtete den schwach leuchtenden, winzigen Fleck.
    «Siehst du ihn noch?», fragte er ruhig.
    «Ja. Was sagen deine Karten? Was ist dort?», wollte sie wissen.
    «Nichts.»
    Sie drehte sich zu ihm, hob die Augenklappe an. «Heißt das … ich meine, heißt das …?»
    Er ging noch einmal ans Teleskop, presste sein Auge an das Okular, sagte aber kein Wort.
    «Du siehst ihn doch auch?»
    Er schwieg immer noch. Schließlich sagte er: «Ja. Ich sehe ihn auch.»
    Schon wurde es heller, die nahende Sonne begann den Horizont violett zu färben, und der kleine, schwache Lichtfleck war nicht mehr auszumachen.
    «Musst du es nicht gleich melden? Jemanden anrufen?», fragte sie.
    «Die schlafen noch. Ich schicke Ihnen eine E-Mail. Kann sein, dass jemand anderes ihn schon entdeckt hat.»
     
    Den ganzen Tag über war sie unruhig. Konnte sich nicht konzentrieren, nicht lesen, lief hin und

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