Bis zum Ende der Welt
und leer stand es vor ihr, als hätte nie jemand darin gelegen.
Die folgenden Wochen vergingen nicht viel anders als die davor, mit dem Unterschied, dass Gracia dreimal wöchentlich erschien, um mit Laska im Schlafzimmer zu verschwinden. Nach fünf Minuten kam sie dann immer die Treppe herunter, setzte sich auf die Couch und sah im Fernsehen eine Reality-Show, in der anfangs zehn schöne Portugiesinnen um die Gunst eines Mannes buhlten. Der Mann war Notar, und das schien die Sache für Gracia besonders spannend zu machen. Nach genau einer halben Stunde endete die Show mit dem Rausschmiss einer der Schönen, während in Gracias Kitteltasche ein kleiner Küchenwecker piepte.
«Zeit ist abgelaufen», sagte sie dann, und es war nicht ganz klar, wen oder was sie damit meinte. «Ist abgelaufen», wiederholte sie und ging nach oben, bevor sie wenig später mit ihrer Tasche in der Hand das Haus verließ.
Laska behauptete, bis auf eine leichte Müdigkeit gehe es ihm gut, und suchte weiter nach Kometen.
«Warum?», fragte Anna.
Er dachte nach. «Ich war acht, und dann wurde ich zwölf, und in diesen Jahren wohnten wir in einer winzigen Wohnung unter dem Dach, wo es eine Luke gab, so ein kleines Dachfenster, und dort habe ich dann abends gehockt und Sterne angeschaut. Ich las Jules Vernes Roman ‹Die Reise durch die Sonnenwelt›, in dem die Helden auf einem Kometen durch das Sonnensystem fliegen, und ich stellte mir vor, nein, ich wünschte mir, dass so ein Komet auch zu mir käme und ich mit ihm verschwinden könnte.» Er zuckte mit den Achseln. «So fing das alles an.»
«Und wenn du keinen Kometen findest?», fragte sie.
«Dann ist das eben so.»
Von da an studierte sie die Fotos der Astrokamera noch genauer als sonst. Arbeitete sich in das Suchprogramm ein, das bestimmte Teile des Himmels nach fremden Objekten scannte. Wenn sie nicht Bücher über Kometen und die Kometenjagd las, saß sie vor dem Computerbildschirm. Aber es war wie schon in den Wochen zuvor – sie fanden nichts.
«Du hast keine Chance», sagte sie schließlich.
Er sah vom Bildschirm auf. Sein Kopf war kahl geworden, das Licht des Monitors schimmerte grünlich auf der nackten Kopfhaut.
«Wie meinst du das?»
«Du hast keine Chance gegen die anderen. Ihre Kameras sind größer, ihre Rechner schneller, ihre Programme besser. So wirst du nie irgendeinen Kometen vor ihnen entdecken.»
«Danke», entgegnete Laska, «sehr ermutigend. Ich mache trotzdem weiter.»
«Aber wenn wir wieder mit den Augen suchen, haben wir eine Chance.»
«Jede Kamera ist besser als unsere Augen. So ist das nun mal.»
«Außer am frühen Abend und frühmorgens. Dann ist der Himmel über dem Horizont zu hell für die Kameras und die Computerprogramme, die sie steuern. Dann beobachten sie nicht. Aber wir. Mit den Augen, mit dem großen Teleskop.»
«Das hat ein kleineres Gesichtsfeld.»
«Ja, aber es sammelt mehr Licht. Wir können auch ganz schwache Kometen sehen.»
«Seit zehn Jahren habe ich das nicht mehr gemacht.»
«Lass es uns probieren. Du kannst ja gleichzeitig die Kamera Fotos schießen lassen.»
So änderte sich ihr Rhythmus. Früh am Abend und sehr früh morgens, kurz nach beziehungsweise vor der Dämmerung, beobachtete Anna bei gutem Wetter den Himmel über dem Horizont. Es war Februar geworden. Im Westen ging der Schwan unter, im Osten der Kleine Hund auf. Immer wenn sie ein schwach leuchtendes Objekt im Fokus hatte, schaute Laska kurz ins Okular und bestimmte daraufhin die Position, um sie mit Hilfe seiner Sternkarten und der Datenbank im Computer abzugleichen. Doch was Anna zumeist «entdeckte», waren bereits bekannte Galaxien, war der blasse Schimmer riesiger Ansammlungen weit entfernter Welten.
Schon am ersten Abend gab Laska ihr eine Augenklappe.
«Wozu?»
«So eine habe ich früher auch benutzt. Es ist zu anstrengend, immer ein Auge zuzukneifen.»
Sie zog sich die Augenklappe über und lachte. «Ich bin Seeräuber Anna, jo-ho. Wie sehe ich aus?»
«Verwegen.»
«Was ist mit dir? Immerhin bist du Kapitän.»
«Ich brauche das nicht mehr. Du bist jung. Deine Augen sind besser.»
Ihr war aufgefallen, dass er in letzter Zeit manchmal Mühe hatte, Dinge zu erkennen, dass er sich den Kopf hielt, benommen wirkte. Sie vermutete, dass es die Nebenwirkungen – die Sehstörungen, die Kopfschmerzen, der Schwindel – waren, von denen Dr. Winther gesprochen hatte.
Als am frühen Morgen des 10 . März Wolken den Himmel bedeckten, sie
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