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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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in dieser, ihrer eigenen entgegengesetzten Fahrtrichtung entfernen.« Wieder deutete er mit der Lampe, beschien ein paar Gaffer, wie sie allerorten und zu jeder Tages- und Nachtzeit aus dem Boden zu wachsen scheinen. »Sie haben demnach nicht erst mal eine Weile ins Leere gestarrt oder sonstwie gebraucht, den Schrecken zu überwinden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich war gleich aus dem Auto. Wissen Sie, das hier ist nicht unbedingt der erste Unfall, in den ich verwickelt wurde.«
    Menden machte »Ach«.
    Ein Weißkittel kam auf uns zu. »Sollen wir?«, fragte er, an Menden gewandt.
    Der nickte. »Gehen Sie mit«, befahl er mir. »Blutprobe. Sie kennen das ja.«
    Während ich bei offener Tür im Rettungswagen hockte, beobachtete ich, wie Menden die vier Fahrzeuglängen im Laufschritt abmaß und dabei auf die Uhr blickte. Ich sah auch, wie er anschließend ganz leicht den Kopf schüttelte.
    »Ballen Sie die Finger zur Faust«, forderte der Arzt. Also ballte ich und sah ihm dann beim Herumstochern mit der Nadel zu.
    »Sie haben aber harte Venen«, fand er.
    »Ich weiß. Soll ich’s mal versuchen?« Doch er wollte lieber selber.
     
    »Was ist denn das hier?« Das Blut war dann doch noch geflossen und Hufschmidt lenkte mich von der kontemplativen Betrachtung des kleinen Pflasters in meiner Armbeuge ab, indem er das vor meiner Nase herumschwenkte, das er eigentlich besser nicht in meinem Wagen hätte finden sollen.
    »Wie sieht’s denn aus?« fragte ich zurück, nickte dem Arzt zu und kletterte wieder raus aus dem RTW.
    »Wie eine ganze Latte Autoschlüssel, Kryszinski. Und was ich wissen will, ist, wo du die her hast.«
    »Die hat mir ein Kunde anvertraut«, bog ich die Wahrheit ein wenig.
    »Komplett mit Schlüsselbrett, aus dem hinten noch die Schrauben samt Dübeln rausragen?«
    »Wir waren beide in Eile«, servierte ich ihm eine mathematisch exakte Halbwahrheit.
    Hufschmidt ging die Schlüssel durch. Er staunte.
    »Lamborghini, Porsche, Lotus … Du willst mir erzählen, jemand vertraut ausgerechnet dir die Schlüssel zu einem Dutzend Sportwagen an? Hat der Typ eine Ahnung, wie du Auto fährst?«
    »Noch nicht«, antwortete ich.
    Doch falls er nicht umgehend seine Schulden bei mir bezahlte, fügte ich im Stillen hinzu, würde er nur allzu bald dahinterkommen.
    Menden nahm mich schließlich mit ins Präsidium, den ganzen Ablauf noch mal herunterbeten. Ich durfte vorne sitzen, entweder ein Zeichen von Vertrauen oder aber dafür, dass Menden mich als Gewalttäter nicht wirklich ernst nimmt.
    So ist es immer mit ihm. Trotzdem gewöhnt man sich nicht daran.
    *
    Die Sonne hob ihr schwelendes Auge über einen Horizont aus Strommasten und Mobilfunkantennen, boshaft entschlossen, einen weiteren, endlosen Tag lang Leim aus den Knochen der Lebenden zu sieden.
    Ich schleppte mich die sieben Etagen hoch – alles ist besser, als in eines unserer beiden irreführenderweise als »Aufzüge« bezeichneten, lotrecht mobilen Stehpissoirs zu steigen –, nur um mich oben noch vor Erreichen der Wohnungstür schlagartig daran zu erinnern, dass ich die Dose Katzenfutter im »bis auf weiteres« sichergestellten Wrack meines Toyotas vergessen hatte.
    Ohne zu zögern machte ich auf der Hacke kehrt und ging wieder runter. Alles andere wäre Irrsinn gewesen. Es gibt nur zwei Methoden, dieses ebenso schrill gestimmte wie halsstarrige kleine Monster ruhigzustellen, und die unblutige, wenn auch leider nur temporäre der beiden ist, es vollzustopfen bis zur Glubschäugigkeit.
    Zurück vom Kiosk an der Ecke, begrüßt von einer Stimmlage, die Gabel-auf-Porzellan-Gequietsche wie symphonische Musik erscheinen lässt, füllte ich dem Vieh in aller Hast den Napf, schloss die Vorhänge, nahm das hektische Blinken des Anrufbeantworters als Mahnung, den Telefonstecker zu ziehen, fiel aufs Bett und machte die Augen zu, entschlossen, mich den zu erwartenden Albträumen zu stellen. Über dem unnötig lauten und ausdauernden Kratzen der Katze in ihrem Scheißhaus sackte ich dann auch tatsächlich weg in eine Endlosschleife aus kreischenden Reifen, berstenden Windschutzscheiben und Blicken voller Anklage aus schreckgeweiteten, hellen, wissenden Augen.
     
    Und sie verfolgten mich auch nach dem Wachwerden weiter.
    Hell und groß und seltsam kindlich in diesem irgendwie vorzeitig gealtert wirkenden Gesicht unter blonden Ponyfransen und Brauen. Harte Jugend, las ich aus den schmalen Wangen und tiefen, für immer skeptischen Falten links und rechts von Lippen,

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