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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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Zucker in seinen bereits kalten Kaffee rührte. Er ertrug es nicht, die beiden anzusehen. In wenigen Stunden, vielleicht nur Minuten, würden sie erfahren, dass ihr Vater weder die Kraft noch die Weitsicht oder wie auch immer man es nennen sollte gehabt hatte, um für sie auf dieser Welt zu bleiben.
    »Er hatte eine braune Hose an«, erinnerte sich Natalie. »Und hübsche Schuhe.«
    »Nun, wenn Officer Braun eine Minute hat, könnt ihr ihm das alles erzählen. Ich bin mir sicher, das wird ihm sehr helfen.« Will wollte gehen. Er wollte zur Schule fahren, die Absperrungen durchbrechen, die den Verkehr abhalten sollten, und gegen die Tür des Wohnmobils hämmern, hinter der Chief McKinney saß und wartete. Worauf wartet er? fragte er sich. Dass jemand erschossen wird? Aber er konnte die Mädchen nicht allein lassen, nicht, bis Verna oder Darlene hier eintrafen. Er schaute sich suchend nach Lonnie um, weil er hoffte, noch eine frische Tasse Kaffee zu bekommen, da bemerkte er, dass Natalie die Zeitung anstarrte, die er bei Ankunft des Busses achtlos beiseitegeworfen hatte.
    »Was ist?«, fragte Will. »Was ist los?«
    »Das ist er«, rief Natalie aufgeregt. »Das ist der Mann.« Will folgte dem Weg ihres kleinen dünnen Fingers mit dem blauen Nagellack zur Zeitung und dem Schwarz-Weiß-Foto eines gut gekleideten Mannes mit eindringlichen Augen und einem angedeuteten Lächeln.
    »Bist du sicher?«, flüsterte er.
    »Hm-hm.« Sie nickte eifrig. »Ich bin sicher.«

MRS OLIVER
    So sehr sie sich auch bemühte, Mrs Oliver sah keine Möglichkeit, wie diese Situation zu einem guten Ende kommen sollte. Der Mann mit der Waffe hatte ein manisches Glitzern in den Augen und murmelte die ganze Zeit etwas vor sich hin, wobei er ab und zu laut sagte: »Jetzt ist es gleich vorbei.«
    Ihr Kiefer pochte, zwei Kinder waren im Schrank eingesperrt, die anderen drei Schüler waren vollkommen starr vor Angst, Charlotte hatte sich sogar schon in den Mülleimer übergeben. Mrs Oliver war immer eine Frau der Tat gewesen. Sie hatte ihr erstes Kind noch während ihres Studiums bekommen, weitere drei Kinder folgten in den nächsten sechs Jahren. Sie konnte einen platten Reifen wechseln und hatte einmal eine Gruppe Teenager auf Skateboards gestellt, die den alten Mr Figg vor dem Supermarkt umgefahren hatten. Sie sollte also durchaus in der Lage sein, mit diesem verwirrten Eindringling fertig zu werden, aber irgendwie gelang es ihr nicht. Tu es nicht, hörte sie Cals Stimme flüstern. Er hat eine Pistole, Evelyn. Schwimm einmal einfach mit dem Strom.
    Mrs Oliver war definitiv niemand, der mit dem Strom schwamm. Nach ihren Berechnungen hatte sie heute noch eine letzte Chance, um alles in Ordnung zu bringen. Sie näherte sich ganz langsam ihrem Tisch, während der Mann mal wieder mit seinem Handy beschäftigt war und nervös mit dem Fuß auftippte und sich immer wieder die Stirn massierte. Evelyn, hörte sie Cals entsetzte Stimme, als ihre Finger nach dem Tacker griffen. Es war nicht so ein billiges Plastikding, das für acht Dollar fünfundneunzig in dem Schulbedarfskatalog angeboten wurde, aus dem die Lehrer jedes Jahr bestellten. Das hier war ein schwerer Industrietacker aus dem Jahr 1972, den Mrs Oliver sich damals extra bestellt hatte. Ihre Finger schlossen sich um den kalten Griff des Tackers und zitterten nur kurz, bevor sie ihn mit aller Wucht auf den Mann niedersausen ließ. Wenn er nur einen Bruchteil einer Sekunde später aufgeschaut hätte, wäre er höchstwahrscheinlich zu Boden gegangen. Mrs Oliver konnte beinahe hören, was ihre Schüler in zwanzig Jahren gesagt hätten: Ja, mit einem Tacker. Sie hat den Mann mit einem Tacker überwältigt, kannst du dir das vorstellen? Nun, sie würden es sich nicht vorstellen müssen, denn der Mann schaute auf, seine Augen verengten sich beim Anblick des auf ihn zurasenden Metalltackers, und ohne zu zögern hob er seine Waffe und drückte dreimal ab. Alle Schüsse landeten in der Wand direkt neben der Schranktür. Mrs Oliver stöhnte beim Anblick des beschädigten Mauerwerks, und sie war entsetzt, wie entsetzlich nah die Kugeln drangewesen waren, Lucy und Augie zu treffen. Der Mann funkelte Mrs Oliver wütend an und boxte ihr direkt vor die Brust, sodass sie zu Boden ging.
    »Bringen Sie mich nicht dazu, Sie zu töten«, zischte er und zielte mit der Waffe auf ihren Kopf.

MEG
    Über mir ertönt das unverkennbare Geräusch von Schüssen. »Mist«, fluche ich und laufe die Treppe hinauf. Ich klopfe gegen

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