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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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größte Geschichte seiner Karriere benutzt hat. Ich habe ihm gesagt, wenn er nicht endlich den Mund hält, würde ich ihn mit meiner Glock erschießen. Das war nicht gänzlich als Witz gemeint.
    Ich hole das unaufhörlich vibrierende Handy wieder hervor und klappe es auf. »Ich arbeite, Stuart«, sage ich kurz angebunden.
    »Warte, warte«, sagt er. »Das hier ist beruflich.«
    »Noch ein Grund mehr für mich, gleich wieder aufzulegen«, gebe ich zurück.
    »Ich habe gehört, in eurer Schule befindet sich ein Eindringling«, sagt Stuart auf seine fröhliche, selbstbewusste Art. Arschloch.
    »Wo hast du das gehört?«, frage ich vorsichtig nach. Er soll nicht merken, dass ich noch nichts davon weiß.
    »Es ist auf allen Kanälen, Meg. Unser Telefon in der Redaktion steht nicht mehr still. Die Kinder twittern darüber und posten es im Internet. Also, was ist da los?«
    »Ich kann mich nicht zu laufenden Ermittlungen äußern«, sage ich mit fester Stimme, während Gedanken durch meinen Kopf rasen. Ein Eindringling in der Schule? Nein. Wenn da etwas los wäre, wüsste ich davon.
    »Wie steht es mit Maria? Ist sie okay?«
    »Das geht dich nichts an«, sage ich leise. Ich bin nicht die Einzige, der Stuart wehgetan hat.
    »Warte«, sagt er, bevor ich auflegen kann. »Vielleicht kann ich dir helfen.«
    »Und zwar wie?«, frage ich misstrauisch nach.
    »Ich kann dich über alles auf dem Laufenden halten, was wir hier so hören, und dir alles direkt übermitteln, was wichtig klingt.«
    »Stuart.« Ich schüttle den Kopf. »Ehrlich, nichts, was du mir sagen könntest, ist noch wichtig.«

WILL
    An diesem Morgen, als Will Thwaite zusah, wie seine Enkel in den Schulbus stiegen, der Horizont noch nicht in das zarte Blütenrosa getaucht, das den Sonnenaufgang ankündigt, erkannte er, wie so oft an solchen Morgen, an denen die Dunkelheit noch in den Ecken lauerte, wie sehr er seine Frau vermisste. Er war so daran gewöhnt, Marlys an seiner Seite zu haben und gemeinsam mit ihr die Farm zu bewirtschaften. Sie ist diejenige gewesen, die ihn jeden Morgen um fünf Uhr wachrüttelte, die ihm eine Thermoskanne mit heißem Kaffee in die Hand drückte und ihn mit dem Versprechen auf ein warmes Frühstück nach seiner Rückkehr zum Füttern der Kühe hinausschickte. Er spürte ihre Abwesenheit, wie man eine fehlende Gliedmaße spürte. Diesen Herbst wären sie fünfzig Jahre lang verheiratet gewesen. Er versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal über Nacht fort gewesen war, und dachte, dass es vor elf Jahren gewesen sein musste, als sie ihren vierten Sohn Jeffery, seine Frau und deren neugeborene Tochter in Omaha besucht hatte. Mit Gepäck für vier Tage war sie in den Cadillac geklettert, hatte ihm durchs offene Fenster zugerufen, dass im Gefrierschrank Mahlzeiten auf ihn warteten, die er nur in der Mikrowelle auftauen müsste, und war in einer Wolke aus dichtem braunem Iowastaub verschwunden.
    Er nippte an seinem Kaffee, zuckte unter dem bitteren Geschmack zusammen, der so ganz anders war, als wenn Marlys ihn kochte. Er verstand, wieso sie dieses Mal so viel länger fortbleiben musste. Es waren bereits zwei Monate, und immer noch konnte sie ihm kein Datum nennen, an dem sie heimkehren würde. Ihr jüngstes Kind, die einzige Tochter, brauchte so viel Pflege und erlitt seit dem Unfall so viele Rückschläge, dass es gut und gerne April werden könnte, bevor er seine Frau wiedersah. Viele Jahre lang hatte Will gedacht, dass er Holly nie wiedersehen würde, so sehr hatte sie sich gegen ihn gewandt. Er nahm an, wenn er versuchen würde, Holly darauf festzunageln, wieso genau sie ihn so sehr hasste, würde sie es nicht sagen können, obwohl es ihr schon gelungen war, seine Enkelkinder ebenfalls gegen ihn einzunehmen. Wenigstens der Junge, P. J., ein stilles Kind mit braunen Augen, einer runden Brille mit dicken Gläsern und der Seele eines alten Mannes, war ihm gegenüber ziemlich schnell aufgetaut. Das Mädchen, Augustine – Augie – war allerdings ein ganz anderes Kaliber. Als Will ins Krankenhaus gegangen war, dessen kühle, saubere Luft nach der trockenen, unerträglichen Hitze Arizonas eine willkommene Atempause bot, hatte er beim Einbiegen in den Flur, der zur Abteilung für Brandopfer führte, gespürt, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte. Zusammengesackt in einem unbequemen Stuhl hatte seine Tochter gesessen. Aber natürlich war es nicht Holly, konnte es gar nicht sein. Holly lag in einem Krankenhausbett und erholte sich

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