Bis zum letzten Atemzug
geplant. Wir würden sogenannte Dutch Letters backen, mit Mandelcreme gefüllte Blätterteigkekse – die einzige Familientradition, die ich aus meiner Kindheit übernommen habe. Danach wollte ich mit ihr ein gutes, altmodisches Zeltlager im Wohnzimmer aufbauen. Wir wollten den Schneesturm nutzen, um am Ox-Eye Bluff Schneewandern zu gehen, inklusive heißer Schokolade mit Marshmallows, und zu Hause sollte es dann Austernsuppe geben. Ich habe sogar Kevin Jarrow, den Teilzeitpolizisten in unserer Truppe, überredet, meine Samstagsschicht zu übernehmen, damit ich den Tag mit Maria verbringen kann. Aber dieses Mal hat Tim darauf beharrt, dass er an der Reihe ist. Er hatte es sogar geschafft, sich fünf Tage von seinem Job als Rettungssanitäter in Waterloo freizunehmen, wo wir beide aufgewachsen sind.
»Hör zu, Meg«, hat er gesagt, als er mich vorgestern anrief. »Ich bitte dich normalerweise um nichts, aber ich möchte Maria diese Schulferien wirklich gerne haben …«
»Sie ist doch kein Punkt auf deiner Einkaufsliste«, habe ich streitlustig erwidert. »Ich dachte, wir hätten das alles geklärt.«
» Du hattest alles geklärt«, widersprach er. Was auch stimmte. »Ich möchte ein paar Tage mit ihr verbringen, das ist doch nicht zu viel verlangt.«
»Woher kommt dieser plötzliche Wunsch?«, fragte ich nach.
»Hey, ich nehme jede Minute, die ich mit Maria kriegen kann, das weißt du. Außerdem hattest du sie die letzten beiden Ferien.« Er wurde langsam böse. Ich stellte mir vor, wie er in dem Doppelhaus sitzt, das wir uns einst geteilt haben, und sich die Stirn reibt, wie er es immer tut, wenn er frustriert ist.
»Ich weiß«, sagte ich sanft. »Ich hatte nur schon alles geplant.«
»Du kannst gerne herkommen und etwas Zeit mit uns gemeinsam verbringen«, schlug er vorsichtig vor. Ich seufzte. Ich war zu müde, um diese Unterhaltung zu führen. »Meg, du weißt, dass ich die Sachen nie getan habe, von denen du glaubst, ich hätte sie gemacht.« Da sind wir wieder, dachte ich. Alle paar Monate behauptet Tim, dass er keine Affäre mit seiner Kollegin gehabt hat, dass sie eine Lügnerin sei, die mehr von ihm gewollt, er sie jedoch zurückgewiesen hatte. An manchen Tagen glaubte ich ihm beinahe. Heute war keiner davon.
»Du kannst sie Mittwoch nach der Schule abholen«, sagte ich.
»Ich hatte gehofft, es ginge schon morgen nach der Arbeit. Also so gegen Mittag.«
»Dann verpasst sie ihren letzten Schultag vor den Ferien. Das ist der Tag, an dem sie die ganzen Sachen machen, die Spaß bringen.« Das war ein lahmes Argument, und ich wusste es, aber mehr hatte ich nicht.
»Meg«, sagte er auf seine ganz bestimmte Art. »Meg, bitte …«
»Fein«, gab ich zickig zurück.
Und so habe ich gestern meiner wunderschönen, lustigen, süßen, perfekten sieben Jahre alten Tochter Auf Wiedersehen gesagt. »Ich rufe dich jeden Tag an«, versprach ich ihr. Ich fühlte mich, als wäre es ein Abschied für immer. »Zwei Mal.«
»Tschüss, Mom«, sagte sie und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie in Tims Auto krabbelte.
»Wir werden morgen Abend zum Essen bei meiner Familie sein und am Sonntag bei meiner Schwester.« Seine Miene war ernst geworden. »Ich bin letzte Woche deiner Mom über den Weg gelaufen.«
»Oh«, sagte ich, als mache mir das nichts aus.
»Ja. Sie würden Maria wirklich gerne sehen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte ich.
»Ist es okay, wenn ich sie mit ihr besuchen gehe?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich schätze schon.« Meine Eltern waren keine schlechten Menschen, aber auch keine besonders guten. »Versprich mir, dass du sie nicht allein in ihrem Trailer lässt. Der ist die reinste Todesfalle. Und versichere dich, dass Travis nicht da ist, wenn du zu ihnen fährst.« Mein Bruder Travis ist einer der Hauptgründe, warum ich Polizistin geworden bin. In seiner Jugend hat er meinen Eltern das Leben vermiest und es mir zur reinsten Hölle gemacht. Es war mir immer vorgekommen, als wenn jede Woche ein Polizist mit Travis im Schlepptau an die Tür unseres Trailers geklopft hätte. Sie haben ihm mehr als genug Chancen gegeben, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, und er hat es wieder und wieder vermasselt. Erst als er in dem Sommer, in dem ich dreizehn und Travis sechzehn war, meinen Vater mit einem Küchenmesser bedroht, meiner Mutter ins Gesicht geschlagen und mir ein Büschel Haare ausgerissen hatte, als ich versuchte, mich von ihm zu befreien, ergriff die Polizei endlich
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