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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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dann nur an Ihrem Geburtstag tragen. Beinahe hatte ich nicht genügend Steine. Mein kleiner Bruder dachte, es sind Skittles. «
    »Ich werde es sicher oft tragen. Vielen Dank, Charlotte.« Mrs Oliver streckte eine Hand aus, um Charlottes Schulter zu tätschelnd. Sofort lehnte Charlotte sich vor und schlang ihre Arme um Mrs Olivers rundliche Mitte, um ihr Gesicht gegen die Knöpfe ihrer weißen Bluse zu drücken. Mrs Oliver spürte ein leichtes Kribbeln unter ihren eisengrauen Haaren und unterdrücke den Drang, sich zu kratzen.
    Es war schließlich Cal, Mrs Olivers Ehemann, der sie davon überzeugte, das Kleid zu tragen. »Was kann schon passieren?«, hatte er sie heute Morgen gefragt, als er sah, wie sie vor ihrem offenen Kleiderschrank stand und das Kleid anschaute, das ihr grell zuzwinkerte.
    »Ich trage in der Schule niemals etwas aus Jeansstoff, und ich werde damit bestimmt nicht kurz vor meiner Pensionierung anfangen.« Sie schaute ihm nicht in die Augen, weil sie sich daran erinnerte, wie aufgeregt Charlotte Anfang der Woche ins Klassenzimmer gestürmt war, ganz aufgeregt, ob ihre Lehrerin das Kleid wohl trug.
    »Sie hat zwei Wochen daran gearbeitet«, erinnerte Cal sie beim Frühstück.
    »Das ist nicht professionell«, hatte sie kurz angebunden zurückgegeben, wobei sie wieder vor sich sah, wie Charlottes Schultern jeden Tag ein wenig mehr zusammengesackt waren, an dem sie ihre Lehrerin in den üblichen Wollhosen, Blusen und Strickjacken gesehen hatte.
    »Ihre Finger haben geblutet «, sagte Cal, den Mund voller Haferbrei.
    »Heute soll es weit unter null Grad werden. Das ist zu kalt, um ein Kleid zu tragen«, hatte Mrs Oliver erwidert, wobei sie das Bild nicht aus dem Kopf bekam, wie Charlotte gestern nicht einmal in ihre Richtung hatte schauen wollen und sich mit trotzig geschürzten Lippen geweigert hatte, auch nur eine Frage zu beantworten.
    »Dann trag eine dicke Strumpfhose und einen Rollkragenpullover darunter«, schlug ihr Mann sanft vor, bevor er hinter ihren Stuhl trat und sie auf eine Weise auf den Hals küsste, die ihr selbst nach fünfundvierzig Jahren Ehe noch köstliche Schauer über den Rücken jagte.
    Weil er recht hatte – Cal hatte immer recht –, hatte sie ihn irritiert von sich geschoben und ihm gesagt, dass sie noch zu spät zur Schule käme, wenn sie sich nicht sofort anzöge. Mit dem Jeanskleid an, ließ sie ihn mit seinem Haferbrei am Frühstückstisch sitzen, wo er Kaffee trank und seine Zeitung las. Sie hatte ihm nicht gesagt, dass sie ihn liebte, sie hatte ihm keinen Abschiedskuss auf die faltige Wange gegeben. »Vergiss nicht, den Schmortopf anzustellen«, hatte sie ihm zugerufen, als sie in den hellgrauen Morgen hinausgetreten war. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber die Höchsttemperatur war schon erreicht und würde im Laufe des Tages nur immer weiter sinken. Als sie in ihren Wagen stieg, um die fünfundzwanzigminütige Fahrt von ihrem Zuhause in Dalsing zur Schule in Broken Branch zurückzulegen, ahnte sie nicht, dass es das letzte Mal sein könnte, dass sie diese Fahrt antrat.
    Über ihren Schatten zu springen und das Kleid anzuziehen war das Richtige gewesen, vermutete sie, nachdem sie sah, wie sich Charlottes Miene von erschöpfter Enttäuschung zu purer Freude verwandelte, als das Mädchen erkannte, dass Mrs Oliver tatsächlich das Kleid anhatte. Dieses unpraktische, grelle Ding zu tragen tat niemandem weh – sie würde die hochgezogenen Augenbrauen im Lehrerzimmer ertragen müssen, aber das war nichts Neues. Und offensichtlich bedeutete es Charlotte eine Menge, die nun genau wie jeder andere der fünfzehn Drittklässler an ihrem Tisch saß und den Mann mit der Pistole anstarrte. Wenn er mir in die Brust schießt, kann ich in dem verdammten Ding wenigstens nicht begraben werden, dachte Mrs Oliver und erschreckte sich selber mit dieser unangebrachten Überlegung.

MEG
    Während ich müßig mit meinem Streifenwagen durch Broken Branch fahre, überlege ich, was ich mit der ganzen freien Zeit anfangen soll, die in den nächsten vier Tagen auf mich wartet. Es ist das erste Mal, dass Maria in den Frühjahrsferien nicht bei mir ist. So wie es aussieht, wird der Frühling sich auch nicht allzu bald blicken lassen, obwohl er laut Kalender schon vor zwei Tagen angefangen hat.
    Von Rechts wegen hat Tim ein Anrecht darauf, dass Maria diese Ferien bei ihm verbringt; die letzten zwei Ferien ist sie bei mir gewesen. Aber ich hatte schon alles für meinen morgigen freien Tag

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