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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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recht väterlichem Tone, und der junge Bismarck lächelte ironisch. Wußte er doch gut genug, daß die Professoren der deutschen Universitäten geradeso wie die Lehrer der Gymnasien mit demokratischen Öle gesalbt und daß sie mit schwarz-rot-goldenen Bestrebungender akademischen Jugend heimlich oder öffentlich sympathisierten. »Diesmal bleibt es bei einer Verwarnung, da Sie ja im Grunde noch nicht die Grenzen akademischer Freiheit übersprangen. Wollte Ihnen nur mal auf den Zahn fühlen, wie meine Pflicht jedem Neuimmatrikulierten gegenüber. Aber lassen Sie sich gesagt sein, daß der Karzer auf jeden wartet, der sich einer Ungebühr schuldig macht. Nun, vielleicht täusche ich mich auch in Ihren Gesinnungen. Die jungen Herren vom Adel sind schon so, erlauben sich viel aus adliger Ungebundenheit.« Er schielte mißtrauisch auf den sonderbaren Jüngling. War das am Ende nur ein uckermärkischer Grande, der seinen Junkerhochmut und Verachtung des Bürgerpacks zum Ausdruck brachte? Doch dieser altpreußische Jungherr wurde sofort unangenehm, richtete sich in voller Höhe auf und versetzte mit fester Bestimmtheit:
    »Von so 'nem Unsinn weiß ich nichts. Ich bin nicht aus Hinterpommern. Dachte mir nur: frei sei der Bursch – und die Philister können mir den Buckel lang rutschen.«
    »Hehe, was das für Worte sind!« Der alte Herr räusperte sich, sah ihn aber freundlich an. »Jaja, schon gut. Jugend kennt keine Tugend. Das schleift sich ab. Ich sehe zwar mit Bedauern voraus, daß wir noch weiter im Lauf der Semester miteinander Bekanntschaft machen werden. Das kennen wir. Sie scheinen mir zu manchem jugendlichen Unfug prädestiniert, und der Pedell wird Sie bald auswendig kennen. Hüten Sie sich vor blutigen Mensuren, darin verstehe ich keinen Spaß. Im übrigen – Gott befohlen, Studiosus v. Bismarck, und knallen Sie nicht wieder auf offener Straße mit dieser Fuhrmannspeitsche, die Sie wenigstens aus Respekt vor der Obrigkeit bei Ihrem werten Besuch abgelegt haben!«
    Der so wohlwollend Entlassene verneigte sich mit Salongrazie und grüßte militärisch mit der Reitgerte, die er in Ermangelung seiner Reitpeitsche freundlichst mitgebracht hatte. Der Richter lächelte in sich hinein und dachte: der schwingt eine Narrenpeitsche, doch er ist nicht so dumm, wie er – nicht aussieht. Wenn sich der Most noch so absurd gebärdet –!
    Da im Januar des Jahres unter Beteiligung von Privatdozenten viele Studenten einen revolutionären Krawall veranstaltet und eine Nationalgarde nach Pariser Muster errichtet hatten, so galt dem sonst besonnenen und wohlmeinenden König von Hannover seine berühmte Universität als Brutnest umstürzlerischer Bestrebungen, was sich bei seinem Nachfolger Ernst August zu wildem Hasse steigerte und ihn zu Rechts- und Verfassungsbruch aufstachelte. Denn tatsächlich besaßen schon eine Reihe kleinerer Staaten eine Verfassungsform liberalen Gepräges, was in Preußen fehlte, während dort umgekehrt ein Liberalismus breitester Schichten bestand wie in keinem anderen deutschen Gau. Göttingens damalige Bedeutung für die studentische Jugend wurzelte in Berufung erstrangiger Kräfte wieder Brüder Grimm, Gervinus, Dahlmann, die viele Hörer anzogen, auch solche aus angelsächsischen Gebieten, wozu natürlich Hannovers Verbindung mit England beitrug. Der stud. jur. v. Bismarck hatte sich vorgenommen, historische Vorlesungen zu belegen und die englische Sprache zu pflegen.
    Als er aus dem Rektoratszimmer hinausschlenderte, begrüßte ihn wedelnd seine Bulldogge, die er unverfroren mit hineinnehmen wollte, die aber ein Schreckensruf des Pedells an der Schwelle festbannte. Als er wieder auf den Freiplatz vor der Universität hinauskam, grüßten ihn verschiedene Vertreter von Verbindungen, die nach üblicher Sitte dem krassen Fuchs auflauerten, um ihn zu »keilen«. Ein hannoverscher Graf, der Chargierte des vornehmsten Korps, das die Blüte des Adels umfaßte und dessen sonstige Vorzüge er herausstrich, hielt für selbstverständlich: »Herr Kommilitone v. Bismarck werden gewiß in unser Korps eintreten«. Dagegen versicherte ein Vertreter der Burschenschaft, daß jeder, der nach höherer Gesittung strebe und mit der Aufklärung des Zeitgeistes wandle, notwendig sich den schwarzrotgoldenen Farben der Burschenschaft anschließen müsse. Der jugendliche Preuße dankte verbindlichst in gewandten Formen, versetzte aber: »Ich möchte mich noch nicht entscheiden und werde mir gestatten, bei den verschiedenen

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