Bismarck 04
verdummten und versumpften Neudeutschland die Wilhelminische Ära zum Falle reif. Die Eulenburgische Gardekavallerie ritt nach Jena und das alte System trat den Eilmarsch nach Tilsit an, begossen wie ein Pudel mit Versailler Jauche, gedemütigter als je der Korse es für anständig hielt. Das beispiellose Heldentum des Weltkriegs stammte aus verborgenen Zellen unseres Volkskörpers, überraschte aber jeden Betrachter neudeutscher Umwelt, weil es so grell von seichter Verflachung des bürgerlichen Kommerzlebens abstach. Nirgends zeigte der atheistisch-amoralische Materialismus des europäischen Zeitgeistes sich so unangenehm aufdringlich, schäbig und roh wie im technikberauschten Germanien. Häckel und Nietzsche standen Gevatter bei einer seelischen Mißgeburt, die als Wille zur Macht nur noch das Sinnlich-Handgreifliche anerkannte. Umwertung aller Werte lief nur auf Entwertung aller geistigen Güter hinaus. Alle, die dem alten System als Schutz nahrhafter Geschaftlhuberei Tränen nachweinen, sofern sie nicht als geschädigte Interessenten jede »fluchwürdige« Neuerung verdammen, ahnen nicht, daß alle Übel der Gegenwart nur logische Fortsetzung, das Neue nur eine andere Form des Alten in unkorrigierter und wenig verbesserter Auflage. Kleinlich schmutzige Selbstgier, kalte Philisterei und Streberei in anderem Gewande, professorale Schulmeisterei nur mit anderer Marschroute stumpfsinnig einhertrottenden Drills, der höchst Ungeistiges für geistige Arbeit ausgibt, als ob Europa nicht eine so eingestellte Kathederkultur ablehnte und lieber mit der Abundantia von Anunzios Schönheitsrausch fürlieb nähme! Wohl blüht im Schlamm noch manche Jugendlilie, doch nur »Reformation an Haupt und Gliedern«, wie Hutten sie hoffte, nur ein neues Geschlecht kann hier als Wiedergeburt eine Neugeburt bringen. Am Niederrhein, meist im 7jährigen Krieg von Franzosen besetzt, stieß jede Gemeinde desertierende Kantonsrekruten aus: so fest und treu hielten diese Rheinlande an ihrem Preußen. Ihr König sprach: »Das Genie von meiner Infanterie ist zu attackieren«, wir aber erweitern getrost: »Das Genie deutscher Infanterie ist, jede andere über den Haufen zu werfen.« Wenn sich heißblütige Süddeutsche oft ohne Abwarten artilleristischer Vorbereitung auf steile buschige, mörderisch feuerspeiende Hügel stürzten und so der Verlust unnötig anschwoll, war der Erfolg zu teuer erkauft? Mit nichten. Was überall den Ausschlag gab, war angeborene soldatische Überlegenheit der Deutschen, d. h. seelische Dynamik statt technischer Mechanik. Den Leutnant kann man uns nicht nachmachen, sagte Bismarck, heute würde er besser sagen: Den »Gemeinen« können sie uns nicht nachmachen. Grimmig fluchten die Poilus, wenn Pressebanditen über Minderwertigkeit deutscher Soldaten orakelten, und murmelten: »Ils sont trop forts«. Die französische Armee war gut, sehr gut, das Rückgrat der Entente, die deutsche besser, viel besser. Französische Fachmänner gewinnen nie den Mut, heimische Unart läppischer Feindesschmähung zu kurieren, doch innerlich weiß ein Foch nur zu wohl, daß Deutschland einen zu harten Bissen für Anbeißen gieriger Wölfe bedeutet.
Als der Alte Fritz bei Roßbach im Heldeneifer seinen Musketieren vorausritt, riefen sie: »Aus dem Weg, Vater, daß wir schießen können!« Den Zufallsführern ruft einst die deutsche Nation mit Donnerstimme zu: Aus dem Weg, daß wir schießen! Noch gibt es andere Feuerproben!
Ehrentafel
deutscher Truppen im Weltkriege
Wir verzeichnen alle Haupthandlungen, an denen jedes Korps teilnahm, heben besondere Auszeichnung in Sperrsatz hervor. Nebenhandlungen bleiben unberücksichtigt, auch hat man keinen Grund, sich der Tragödie von 1918 besonders zu erinnern. Auf französischen Regimentsfahnen stehen Inschriften napoleonischer Siege, Niederlagen fehlen, nur ein Rgt. trägt die Fahneninschrift »Leipzig«, nur ein paar erinnern an Waterloo. Dies Verschweigen machen wir uns zu eigen, doch kann bis August 1918 überhaupt nicht von deutschen Niederlagen geredet werden. Und kommt darauf an, jeden deutschen Stamm mit den Leistungen vorzuführen, durch die seine Söhne sich ums Vaterland verdient machten. Die alte Korpseinteilung müssen wir innehalten, weil spätere Auflösung in zahllose Divisionen, teilt alter, teils neugebildeter Truppen ins Uferlose ablenken würde. Neue Infanterieregimenter kommen freilich dabei zu kurz, doch Raummangel verbietet vollzählige Aufzählung. Nur möchten wir
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