Bismarck 04
Verluste von Funkspruchabteilungen schon 1914 bei Hindenburgs Reiterei). Bahnschema macht oft den Ausmarsch von sich abhängig, was für 1866 zugestanden; dies verbürgt nicht mal Freiheit der Bewegung, wie die Aufmarschstauung der 1., 2., 3. A. bewies, daß man die ferneren norddeutschen Korps auf den Stoßflügel versetzte, verlangsamte die unbedingt hier nötige Schnelligkeit. Überhaupt überschätzt man alle Technik der Ausrüstung, zuguterletzt entschieden ganz andere Faktoren. Dreschflegel und Sensen der Hussiten schlugen die Panzergeschwader deutscher Junkerschaft nieder, man sollte sich nicht zu blind auf Tankgeschwader verlassen. Nun, Prokop und Ziska stammten aus keiner Kriegsakademie, die Hauptperson des Weltkrieges will man aber nicht sehen: Vollwertigkeit der Volksmiliz, ohne die ja ohnehin nie solche Massen aufzubringen wären. Nur Verstocktheit sträubt sich dagegen. Nicht der gerechte Stolz der Berufskrieger, wohl aber ihr Dünkel muß ein Ende finden; daß er im Milizsystem nicht bestehen kann, hinc irae der hochseligen Brahminen, denen man den Heiligenschein abstreifen muß. Freuen sollten sie sich doch über Kriegsertüchtigung des ganzen Volkes, sie aber fröhnen nur Sonderinteressen. Gewiß nahmen die Yankees einst den Mund zu voll, Hooker nannte sein Milizheer »das beste der Welt«, Lee und Jackson hießen »größer als Napoleon«. Grants Memoiren gelten als Kommentarien Cäsars. Doch wenn das Tagebuch des 1870 im preußischen Hauptquartier weilenden Sheridan sich zu gnädig herabläßt, hier könne man nichts lernen, so haben Shermans Milizen beim Georgiamarsch wirklich größere Anstrengung überwunden als bei damaligen deutschen Märschen. Doch was sie noch übertraf, war der Schneemarsch zur Winterschlacht von Eichhorns Milizkorps. Und es bleibt wahr, daß z. B. Professor Jackson ein hundertmal größerer Stratege wurde als Eichhorn, daß es in jenem Zivilistenkrieg keinen Kluck und Bülow gab. Gelehrte Theorie verbürgt an sich kein praktisches Feldherrntum, doch folgert daraus, daß Theoretiker immer schlechte Praktiker, denkerisch unfähige Generale immer gute Praktiker seien? Weit eher als geistlose Empiriker könnten Kriegsforscher Feldherrn werden, die bei jeder Gelegenheit sozusagen ein Fach ihres Gehirnarchivs öffnen, auf jedes Gebot der Stunde vorbereitet.
»Im Krieg kommt alles anders«, zumal in einem Weltkrieg. Die wichtigste Frage bleibt: Konnte Deutschland überhaupt gewinnen? Ja, wenn es wirklich die Entscheidung gewollt und vorbereitet hätte. Dann wären mindestens zwei neue Armeekorps vorhanden gewesen, man hätte alle Handelsschiffe rechtzeitig zurückgerufen und die argentinische Ernte aufgekauft. (Es ist Wenigen bekannt, daß der spätere Reichskanzler Michaelis, damals am Rhein, aus eigener Initiative eine gewisse Nachbarernte aufkaufte und wenigstens hierdurch das erste Kriegsjahr gegen die Blockade sicherte). Die Verlotterung der österreichischen Rüstung und die Unterbindung der türkischen Heerreform durch den Balkankrieg wogen schwer als Passiva, dagegen schlug die k. k. Armee trotzdem sich besser als zu erwarten, ihre Skoda-Artillerie überraschte. Das deutsche Heer übertraf jede noch so hochgespannte Erwartung, gerade weil es nach dem ersten Halbjahr nur noch reines Volksaufgebot bedeutete. Fragestellung und Vergleichspunkte werden absichtlich verschoben in Freytag-Loringhofens »Folgerungen aus dem Weltkrieg« »Geschultes Volksheer oder Miliz«. Die offenen Türen falscher Milizlegenden einzurennen hat keinen Wert, kein Kenner hielt je Washingtons Milizen oder die Tiroler und Buren für vorbildlich, bei den spanischen Insurrektionsheeren wird vergessen, daß ihre früheren Regulären sich noch schlechter schlugen, dagegen die ruhmwürdigen Stadtverteidigungen doch ausschließlich aufs Konto der Bürgerschaft kamen. Wenn anfangs die Freiwilligen der französischen Revolution ihren Ruf nicht verdienten, so hat die levée en masse doch gegen ganz Europa durchgehalten, selbst dann als die feindlichen Regulären zahlenmäßiges Übergewicht hatten. Auch ohne Bonaparte schlugen sich die Republikaner bei Stockach, Zürich, Novi glänzend gegen Übermacht, im Gotthart- und Grimselkampf taten sie Unübertreffliches. Bonaparte zwang ihnen unerhörte Gewaltmärsche ab. Den zweischneidigen Einwand, daß Milizen durch den Krieg selber in ihre Aufgabe hineinwachsen, fertigt die Gegenfrage ab, sie hat einen spöttischen Klang: Ist Krieg die einzig wahre
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