Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
irgendwelche Türen verschlossen blieben.
Als ich an ihnen vorbeifuhr, betrachteten sie meinen lärmenden Transporter, genau wie alle anderen. Ich schaute stur geradeaus und war froh, als ich endlich vom Schulgelände runter war.
Thriftway befand sich ganz in der Nähe der Schule, nur ein paar Straßen weiter südlich. Es war angenehm, in einem Supermarkt zu sein, es gab mir ein Gefühl der Normalität. Zu Hause hatte ich auch die Einkäufe erledigt und war froh über die vertraute Aufgabe. Das Gebäude war groß genug, dass man in seinen Gängen das Tröpfeln des Regens auf dem Dach nicht hörte – ich konnte für eine Weile vergessen, wo ich mich befand.
Als ich zum Haus kam, packte ich die Einkäufe aus und verstaute sie überall, wo Platz war. Charlie hatte hoffentlich nichts dagegen. Dann wickelte ich Kartoffeln in Folie ein und legte sie zum Backen in den Ofen, marinierte ein Steak und platzierte es vorsichtig auf einer Packung Eier im Kühlschrank.
Als ich damit fertig war, nahm ich meine Tasche und ging nach oben. Bevor ich mit den Hausaufgaben anfing, zog ich mir eine trockene Jogginghose an, band meine feuchten Haare zu einem Zopf zusammen und schaute zum ersten Mal nach meinen E-Mails. Ich hatte drei Nachrichten.
»Bella« , schrieb meine Mom.
Schreib mir, sobald Du ankommst. Wie war Dein Flug? Regnet es? Ich vermisse Dich jetzt schon. Ich hab fast alles gepackt für Florida, aber ich finde meine rosafarbene Bluse nicht. Weißt Du, wo ich die hingetan hab? Grüße von Phil.
Mom
Ich seufzte und öffnete die nächste Nachricht. Sie war acht Stunden nach der ersten abgeschickt worden.
» Bella «, schrieb sie.
Warum antwortest Du mir nicht? Worauf wartest Du?
Mom
Die letzte war an diesem Vormittag gekommen.
Isabella,
wenn ich bis heute Abend halb sechs nichts von Dir gehört habe, ruf ich Charlie an.
Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte noch eine Stunde, aber Mom war für ihre vorschnellen Aktionen bekannt.
Mom,
beruhige Dich. Ich bin gerade dabei, Dir zu schreiben. Kein Grund zur Panik.
Ich schickte die Nachricht ab und fing von vorne an.
Mom,
alles ist super. Natürlich regnet es. Ich wollte warten, bis was Spannendes passiert. Schule ist okay, nur ein bisschen langweilig. Ich hab ein paar nette Leute kennengelernt, mit denen ich jeden Tag zusammen Mittag esse.
Deine Bluse ist in der Reinigung – Du solltest sie letzten Freitag abholen.
Charlie hat mir einen Transporter gekauft, was sagst Du dazu? Er ist toll – alt, aber echt robust, also genau das Richtige für mich.
Ich vermisse Dich auch. Ich melde mich bald wieder, aber ich werde nicht alle fünf Minuten meine Mails checken. Entspann Dich, atme tief durch. Ich liebe Dich.
Bella
Als Charlie heimkam, war ich gerade in Sturmhöhe versunken. Den Roman nahmen sie hier gerade in Englisch durch; ich kannte ihn zwar schon, hatte aber Lust, ihn noch mal zu lesen. Mir war nicht aufgefallen, dass es schon so spät war, also rannte ich jetzt die Treppe runter, um die Kartoffeln aus dem Ofen zu nehmen und das Steak zu braten.
»Bella?«, rief mein Vater, als er mich die Treppe herunterpoltern hörte.
Wer sonst?, dachte ich.
»Hey, Dad, willkommen zu Hause.«
»Danke.« Er hängte seinen Pistolengurt an den Haken und zog sich die Stiefel aus; ich wuselte in der Küche herum. Soviel ich wusste, hatte er im Dienst noch nie einen Schuss abgegeben. Aber seine Waffe war geladen. Wenn ich ihn als Kind besucht hatte, nahm er immer als Erstes die Patronen heraus, wenn er nach Hause kam. Wahrscheinlich hielt er mich mittlerweile für alt genug, mich nicht versehentlich zu erschießen, und nicht für depressiv genug, um es absichtlich zu tun.
»Was gibt’s zu essen?«, fragte er vorsichtig. Meine Mutter war eine phantasievolle Köchin, aber ihre Experimente waren nicht immer essbar. Es überraschte mich, dass er sich an etwas erinnerte, das so weit zurücklag. Und es machte mich traurig.
»Steak mit Kartoffeln«, antwortete ich. Er sah erleichtert aus.
Er schien sich nicht wohl dabei zu fühlen, untätig in der Küche herumzustehen, und stapfte schwerfällig ins Wohnzimmer, um fernzusehen, solange ich zu tun hatte. Das ersparte uns beiden die Verlegenheit, uns unterhalten zu müssen. Ich machte einen Salat, während das Steak in der Pfanne briet, und deckte den Tisch.
Als ich fertig war, rief ich ihn, und er schnupperte anerkennend, als er hereinkam.
»Riecht gut, Bell.«
»Danke.«
Ein paar Minuten lang aßen wir schweigend, doch es
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