Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
Glückliche. Sie konnte auf ihre Zukunft vertrauen.
Ich konnte den Blick nicht lange von Edwards Gesicht wenden. Ich blickte ihn unverwandt an und wünschte sehnlichst, dass die Zukunft niemals eintreten möge. Dass dieser Moment niemals endete oder dass ich, wenn er endete, aufhörte zu existieren.
Edwards Blick ruhte nur auf mir, seine dunklen Augen waren weich, und es war leicht, sich einzubilden, dass er genauso empfand wie ich. Und das tat ich. Ich bildete es mir ein, um mir den Augenblick zu versüßen.
Er zeichnete mit den Fingerspitzen die Ringe unter meinen Augen nach. »Du siehst so müde aus.«
»Und du siehst durstig aus«, flüsterte ich zurück und schaute auf die lila Schatten unter seinen schwarzen Augen.
Er zuckte die Schultern. »Nicht der Rede wert.«
»Wirklich? Ich könnte mich neben Alice setzen«, bot ich widerstrebend an; ich hätte mich lieber umgebracht, als auch nur einen Zentimeter von ihm abzurücken.
»Sei nicht albern.« Er seufzte; sein süßer Atem liebkoste mein Gesicht. » Diese Seite meines Wesens hatte ich noch nie besser im Griff als jetzt.«
Ich hatte eine Million Fragen an ihn, aber ich hielt den Mund. Ich wollte den Augenblick nicht zerstören, so unvollkommen er auch war, hier in diesem Raum, der mir Übelkeit verursachte, und mit dem angehenden Monster im Hintergrund, das uns beobachtete.
In seinen Armen konnte ich mir leicht vorstellen, dass er mit mir zusammen sein wollte. Ich schob alle Gedanken daran beiseite, warum er sich so verhielt – um mich in dieser kritischen Situation zu beruhigen, oder nur aus schlechtem Gewissen, weil wir hier waren, oder aus Erleichterung, weil er nicht für meinen Tod verantwortlich war. Vielleicht hatte auch nur die lange Trennung dafür gesorgt, dass ich ihn jetzt nicht langweilte. Das alles spielte keine Rolle. Ich war viel glücklicher, wenn ich so tat, als ob er so fühlte wie ich.
Ich lag still in seinen Armen, prägte mir sein Gesicht ein und tat so als ob.
Er betrachtete mich, als täte er dasselbe, während er mit Alice darüber diskutierte, wie wir nach Hause kommen sollten. Sie sprachen so schnell und leise, dass Gianna keine Chance hatte, sie zu belauschen. Ich bekam selber nur die Hälfte mit. Es hörte sich jedenfalls so an, als würde es nicht ohne Diebstahl abgehen. Ich fragte mich, ob der gelbe Porsche wohl schon wieder bei seinem Besitzer war.
»Was sollte denn der Spruch mit der Sängerin?«, fragte Alice.
»La tua cantante«, sagte Edward. Aus seinem Mund klangen die Worte wie Musik.
»Ja, das meinte ich«, sagte Alice, und ich hörte genauer hin. Darüber hatte ich mich auch gewundert.
Ich spürte, wie Edward mit den Schultern zuckte. »Das ist ihr Ausdruck für jemanden, der so riecht wie Bella für mich. Sie nennen sie meine Sängerin – weil ihr Blut für mich singt.«
Alice lachte.
Ich war so müde, dass ich hätte schlafen können, aber ich kämpfte dagegen an. Ich wollte keine Sekunde mit ihm verpassen. Hin und wieder redete er mit Alice, dann beugte er sich plötzlich herab und küsste mich – seine glasglatten Lippen berührten mein Haar, meine Stirn, meine Nasenspitze. Jedes Mal war es wie ein elektrischer Schlag für mein Herz, das so lange geschlummert hatte. Sein Klopfen schien den ganzen Raum zu erfüllen.
Es war der Himmel mitten in der Hölle.
Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Und als Edward mich fester umarmte und wie Alice wachsam zu der Flügeltür am anderen Ende des Raums schaute, geriet ich in Panik. Ich presste mich an Edwards Brust, als Alec auftauchte. Seine Augen waren jetzt von einem leuchtenden Rubinrot und sein hellgrauer Anzug war trotz des Nachmittagsmahls immer noch makellos.
Er hatte gute Nachrichten.
»Ihr könnt jetzt gehen«, sagte er, und seine Stimme klang so warm, als wären wir uralte Freunde. »Und haltet euch bitte nicht länger als nötig in der Stadt auf.«
Edward spielte kein Theater mehr, seine Stimme war eiskalt. »Keine Sorge.«
Alec lächelte, nickte und verschwand dann wieder.
»Nehmen Sie die ersten Aufzüge rechts im Flur«, sagte Gianna, als Edward mir aufhalf. »Zwei Stockwerke tiefer ist die Empfangshalle, die auf die Straße führt. Auf Wiedersehen«, fügte sie freundlich hinzu. Ich fragte mich, ob ihre Kompetenz sie wohl retten konnte.
Alice warf ihr einen finsteren Blick zu.
Ich war erleichtert darüber, dass es einen anderen Ausgang gab; ich war mir nicht sicher, ob ich die unterirdische Reise ein zweites Mal überstanden
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