Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
die ich brauchte, aber eigentlich nicht haben wollte; ich verzweifelte schon beim Gedanken daran, was er mir antworten würde. Eine lange Zeitspanne ohne Unterbrechungen lag vor uns, und im Flugzeug konnte er mir nicht entwischen – jedenfalls nicht so leicht. Niemand außer Alice würde uns hören; es war spät und die meisten Passagiere schalteten bereits das Licht aus und baten in gedämpftem Ton um Kopfkissen. Beim Reden wäre die Erschöpfung nicht so übermächtig.
Doch so schwer es auch war, ich biss mir auf die Zunge, um keine Fragen zu stellen. Mein Verstand arbeitete vermutlich durch die Erschöpfung nur sehr eingeschränkt, aber ich klammerte mich an die Hoffnung, später noch ein paar Stunden mit ihm herausschlagen zu können, indem ich das Gespräch jetzt aufschob. Dass ich, wie Scheherazade, eine weitere Nacht gewinnen könnte.
Also trank ich weiter Cola und widerstand sogar der Versuchung zu blinzeln. Edward schien vollkommen zufrieden damit, mich im Arm zu halten, während er mir immer wieder mit den Fingern übers Gesicht streichelte. Auch ich berührte sein Gesicht. Ich konnte mich nicht beherrschen, obwohl ich wusste, wie sehr es mir später, wenn ich wieder allein war, wehtun würde. Immer wieder küsste er mich aufs Haar, auf die Stirn, auf die Handgelenke … aber niemals auf den Mund, und das war gut so. Denn wie oft kann ein Herz gequält werden, ohne stehenzubleiben? In den letzten Tagen hatte ich einiges durchgemacht, was mein Ende hätte bedeuten können, aber es hatte mich nicht abgehärtet. Im Gegenteil, ich kam mir furchtbar zerbrechlich vor, als könnte ein einziges Wort mich vernichten.
Edward sagte nichts. Vielleicht hoffte er, ich würde einschlafen. Vielleicht hatte er auch einfach nichts zu sagen.
Ich gewann den Kampf gegen meine schweren Lider. Als wir in Atlanta landeten, war ich wach, und ich sah sogar die Sonne, die über der Wolkendecke von Seattle aufging, bevor Edward das Rollo herunterzog. Ich war stolz auf mich. Ich hatte keinen Augenblick verpasst.
Weder Alice noch Edward waren überrascht über den Empfang, der uns am Sea-Tac Airport bereitet wurde, aber ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet. Als Erstes sah ich Jasper – der mich gar nicht wahrzunehmen schien. Er hatte nur Augen für Alice. Sofort ging sie zu ihm; sie umarmten sich nicht wie andere Paare, die sich hier wiedersahen. Sie schauten sich nur in die Augen, und doch war es ein so intimer Moment, dass ich den Blick abwandte.
Carlisle und Esme warteten weiter hinten im Schatten einer breiten Säule. Esme streckte die Arme nach mir aus und umarmte mich fest, wenn auch etwas unbeholfen, weil Edward mich immer noch nicht losließ.
»Vielen, vielen Dank«, sagte sie mir ins Ohr.
Dann schlang sie die Arme um Edward, und sie sah aus, als würde sie weinen, wenn sie könnte.
»Nie wieder wirst du mir so etwas antun«, grollte sie.
Edward grinste reumütig. »Tut mir leid, Mom.«
»Danke, Bella«, sagte Carlisle. »Dafür sind wir dir was schuldig.«
»Wohl kaum«, murmelte ich. Plötzlich war die Erschöpfung überwältigend. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er nicht zu meinem Körper gehören.
»Sie ist stehend k.o.«, sagte Esme vorwurfsvoll zu Edward. »Wir müssen sie nach Hause bringen.«
Obwohl ich nicht wusste, ob ich jetzt nach Hause gebracht werden wollte, stolperte ich halb blind durch den Flughafen. Edward zog mich an der einen Seite, Esme an der anderen. Ich wusste nicht, ob Alice und Jasper hinter uns waren oder nicht, und ich war zu erschöpft, um mich umzudrehen.
Obwohl ich immer noch ging, schlief ich schon fast, als wir beim Auto ankamen. Die Überraschung, Emmett und Rosalie zu sehen, die in dem schwachen Licht der Tiefgarage an der schwarzen Limousine lehnten, belebte mich ein wenig. Edward erstarrte.
»Nicht«, flüsterte Esme. »Ihr ist schrecklich zu Mute.«
»Geschieht ihr ganz recht«, sagte Edward und gab sich keine Mühe, die Stimme zu dämpfen.
»Es ist nicht ihre Schuld«, sagte ich. Ich lallte vor Erschöpfung.
»Lass es sie wiedergutmachen«, bat Esme. »Wir fahren mit Alice und Jasper.«
Edward starrte die absurd schöne blonde Vampirfrau an, die auf uns wartete.
»Bitte, Edward«, sagte ich. Ich wollte ebenso wenig mit Rosalie fahren wie er, aber ich hatte in seiner Familie schon mehr als genug Zwietracht gesät.
Er seufzte und zog mich zum Wagen.
Wortlos setzten Emmett und Rosalie sich nach vorn, während Edward mich wieder zu sich auf die Rückbank
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