Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
sie wirkte nur verstimmt. Erst da hörte ich das Stimmengewirr – laute, raue Stimmen – aus dem Vorraum.
»Das ist ja echt ein Ding hier«, dröhnte eine derbe Männerstimme.
»So mittelalterlich«, schwärmte eine Frau mit schriller Stimme.
Ein Pulk von Menschen kam durch die kleine Tür und drängte in die kleinere Steinkammer. Demetri gab uns zu verstehen, dass wir Platz machen sollten. Wir drückten uns an die kalte Wand und ließen sie durch.
Das Paar ganz vorn, dem Akzent nach zu urteilen Amerikaner, schaute sich prüfend um.
»Ein herzliches Willkommen allen Gästen! Willkommen in Volterra!«, hörte ich Aro aus dem großen Turmzimmer säuseln.
Hinter dem Paar kamen die anderen Leute, insgesamt mindestens vierzig. Einige schauten sich um wie Touristen. Manche machten sogar Fotos. Andere sahen irritiert aus, als würde die Geschichte, mit der man sie hierhergeführt hatte, nicht mehr so richtig passen. Vor allem eine kleine dunkelhäutige Frau fiel mir auf. Um den Hals trug sie einen Rosenkranz, das Kreuz hielt sie fest in der Hand. Sie ging langsamer als die anderen, berührte hin und wieder jemanden und stellte Fragen in einer fremden Sprache. Niemand schien sie zu verstehen, und sie klang immer panischer.
Edward zog mein Gesicht an seine Brust, aber es war zu spät. Ich hatte schon verstanden.
Sobald sich eine kleine Lücke auftat, schob Edward mich schnell zur Tür hinaus. Ich spürte den entsetzten Ausdruck auf meinem Gesicht und die Tränen, die mir in die Augen stiegen.
In dem prunkvollen goldenen Flur war es still, niemand war dort bis auf eine Frau, wunderschön, wie eine Statue. Neugierig starrte sie uns an, vor allem mich.
»Willkommen daheim, Heidi«, begrüßte Demetri sie.
Heidi lächelte abwesend. Sie erinnerte mich an Rosalie, obwohl sie ihr überhaupt nicht ähnlich sah – es war nur ihre Schönheit, die ebenso außergewöhnlich und unvergesslich war. Ich konnte den Blick nicht abwenden.
Ihre Kleidung unterstrich ihre Schönheit noch. Die erstaunlich langen Beine, die in einer dunklen Strumpfhose steckten, wurden durch einen superknappen Minirock betont. Das langärmelige Oberteil war hochgeschlossen, aber es war aus rotem Vinyl und extrem eng anliegend. Ihre langen mahagonifarbenen Haare glänzten, und ihre Augen waren von einem ganz eigenartigen Lila – vielleicht trug sie blaue Kontaktlinsen über den roten Augen.
»Demetri«, antwortete sie mit seidiger Stimme, und ihr Blick huschte zwischen meinem Gesicht und Edwards grauem Umhang hin und her.
»Guter Fang«, lobte Demetri sie, und plötzlich verstand ich ihr aufreizendes Outfit – sie war nicht nur der Fischer, sondern gleichzeitig der Köder.
»Danke.« Sie schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln. »Kommst du nicht?«
»Sofort. Lass mir ein paar übrig.«
Heidi nickte und verschwand durch die Tür, nicht ohne mir noch einen letzten neugierigen Blick zuzuwerfen.
Edward ging so schnell, dass ich rennen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Aber wir kamen trotzdem nicht durch die verzierte Tür am Ende des Ganges, ehe das Geschrei losging.
D ie Flucht
Demetri verließ uns in der überreich geschmückten Empfangshalle, wo Gianna immer noch hinter dem glänzenden Tresen saß. Fröhlich dahinplätschernde Musik erklang aus unsichtbaren Lautsprechern.
»Geht nicht vor Einbruch der Dunkelheit«, warnte er uns noch.
Edward nickte, und Demetri ging eilig davon.
Gianna schien keineswegs überrascht, obwohl sie sich über Edwards geliehenen Umhang wohl ihre Gedanken machte.
»Geht es?«, fragte Edward so leise, dass nur ich es hören konnte. Seine Stimme war rau – soweit Samt rau sein kann – vor Sorge. Er schien immer noch beunruhigt über unsere Lage.
»Sieh lieber zu, dass sie sich setzt, bevor sie hinfällt«, sagte Alice. »Sie bricht gleich zusammen.«
Erst in diesem Moment merkte ich, dass ich zitterte, ich zitterte wie verrückt, mein ganzer Körper vibrierte, bis meine Zähne klapperten und der Raum um mich herum zu wackeln und zu verschwimmen schien. Eine wahnsinnige Sekunde lang fragte ich mich, ob Jacob sich so fühlte, bevor er sich in einen Werwolf verwandelte.
Ich hörte ein Geräusch, das ich nicht einordnen konnte, ein merkwürdiges, verzweifeltes Kreischen, das so gar nicht zu der so heiteren Hintergrundmusik passte. Vor lauter Zittern wusste ich nicht, woher das Geräusch kam.
»Scht, Bella, scht«, sagte Edward und zog mich zu dem Sofa, das am weitesten von der neugierigen Frau am Tresen
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