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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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lauschte ich auf Schritte. Der Motor des Lieferwagens rumpelte noch fast eine Minute lang am anderen Ende der Tiefgarage vor sich hin, ehe er mit einem zitternden Keuchen verstummte. Eine Tür öffnete sich mit einem verzweifelten Quietschen nach Öl und schlug wieder zu.
    Ich rannte im Zickzack und tief geduckt von einem geparkten Auto zum Nächsten. Weiter vorn hörte ich, wie die schweren Schritte des Fahrers sich von mir entfernten.
    Eine Tür knarrte, und ein fernes Viereck aus Licht wurde sichtbar. Die Tür hatte sich noch nicht wieder geschlossen, als Reese aus seinem Versteck hervorschoss; seine Sohlen klatschten auf dem Betonboden, als er zu rennen begann.
    Ich legte einen Gang zu und gab mir keine Mühe mehr, ungesehen zu bleiben, aber er war schon zu nahe an der Tür zum Treppenhaus. Ich hatte die geschlossene Tür fast erreicht, als sie wieder aufflog und ich eben noch bremsen konnte, bevor ich in einen Mann mittleren Alters hineinrannte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich, während ich mich an ihm vorbeizuschieben versuchte. »Ich habe einfach nur …«
    »Das Parkhaus hinter sich bringen wollen, weil Sie nachts nicht gern durch eine Tiefgarage gehen?«
    »Äh, ja.«
    »Oben sind noch jede Menge Plätze frei, Miss. Es ist viel sicherer. Kommen Sie, ich begleite Sie nach oben.«
    Es war unverkennbar, dass es nur zwei Möglichkeiten gab, an dem Mann vorbeizukommen – ihn den Gentleman spielen zu lassen oder ihn aus dem Weg zu stoßen. Clay hätte Letzteres getan, gar keine Frage, und ihn bei dieser Gelegenheit auch gleich noch angefaucht. Doch ich bin nach wie vor nicht über meine kanadische Erziehung hinweggekommen, die es mir verbietet, jemandem gegenüber grob zu werden, der nichts getan hat, um es zu verdienen.
    Also ließ ich mich von dem Mann die Treppe hinaufgeleiten und bedankte mich, als wir oben angekommen waren.
    »Ich will ja nicht sagen, dass Sie nicht in der Tiefgarage parken sollten …«, begann er.
    »Ich verste…«
    »Zum Teufel, es ist schließlich Ihr gutes Recht, das Auto abzustellen, wo Sie wollen. Was Sie nicht tun sollten, ist, sich fürchten zu müssen. Das hier könnte helfen.«
    Er streckte mir ein papierdünnes weißes Rechteck hin – mein erster Gedanke war, dass sie die Taschenalarmanlagen wirklich ganz erheblich weiterentwickelt haben mussten, seit ich das letzte Mal eine zu Gesicht bekommen hatte. Doch es handelte sich um eine Karte.
    »Meine Frau organisiert Taserpartys.«
    »Taser…?«
    »Sie wissen schon, wie Tupperpartys. Ein paar Frauen treffen sich, verbringen einen netten Nachmittag, essen zusammen und lassen sich die neuesten Entwicklungen im Bereich der persönlichen Sicherheit vorführen.«
    Ich forschte in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, ob er einen Scherz machte. Er tat nichts dergleichen. Ich bedankte mich noch einmal und verließ schleunigst das Treppenhaus.
    Reeses Fährte führte zum Vordereingang hinaus. Als ich mich an die Verfolgung machte, ging mir auf, dass ich die Karte immer noch in der Hand hielt. Sie zeigte ein hübsches rotes Taserchen, das mühelos in die Handtasche passte und als Accessoire zu allem und jedem kombinierbar war – für Frauen, die Handtaschen hatten und Wert darauf legten, dass ihre Accessoires farblich zu ihnen passten.
    Von Tupperpartys über Dessouspartys zu Taserpartys. Ich schüttelte den Kopf und schob die Karte in die Tasche. Gerade jetzt in diesem Moment hätte ich gegen einen Taser gar nichts einzuwenden gehabt. So wie sich die Sache anließ, war dies möglicherweise die einzige Art, Reese zum Stehenbleiben zu zwingen. Natürlich würde ich zunächst nahe genug an ihn herankommen müssen, um das Ding einsetzen zu können, was im Augenblick nicht sehr wahrscheinlich aussah.

    Drei Häuserblocks weiter holte ich Reese schließlich auf einem Flachdach ein. Er war die Feuertreppe an der Außenseite hinaufgeklettert, wahrscheinlich in dem Glauben, ich würde ihm nicht folgen.
    Als ich mich auf die Dachkante hinaufstemmte, begann er, auf die gegenüberliegende Seite zu rennen; seine Stiefel rutschten auf dem Kiesbelag. Da er nicht vorhatte, im letzten Moment abzuschwenken, bremste ich ab; der Kies knirschte, und ich kam zum Stehen.
    »Okay«, rief ich ihm nach. »Ich komme nicht näher. Ich will einfach nur mit dir reden.«
    Er war der Dachkante so nahe, dass mein Herz wild zu hämmern begann, aber er drehte sich langsam zu mir um.
    Reese Williams, zwanzig Jahre alt, erst vor kurzem aus Australien eingewandert.

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