Bissige Spiele (German Edition)
Übelkeit sank ich in mir zusammen und schaute beinahe in Trance nach dem dunkelhaarigen Geschöpf. Vielleicht könnte ich meinen Tagtraum wahr machen. Die Menschen waren ja auch leicht zu überwältigen. Wo könnte ich es nur hinlocken? Die dunklen Gassen!
„David!“
Im ersten Augenblick wusste ich nicht, wo ich mich gerade befand. Die Stimme war mir bekannt, aber mein Gehirn war rigoros ausgeschaltet, dass ich nicht mal eins und eins hätte zusammenzählen können.
„David!“
Noch einmal. Ah, die Straße, in der Ian wohnte. Ich konnte ihn mit meinen Augen wahrnehmen, und dann wusste ich wieder, was passiert war.
„Du gefällst mir gar nicht, David.“
Es war in der Tat erneut Ian, der seine Brautschau anscheinend erfolglos beendet hatte. Besorgt schaute er mir in meine Schlafzimmeraugen und zog mich aus der dunklen Gasse. Meine Beine folgten nur widerwillig. Ich konnte nicht antworten und folgte ihm stumm und benebelt hinterher. Kaum hatte ich mich entfernt, ließ die Übelkeit nach und mein Verstand setzte wieder ein.
Nein, das wollte ich ganz und gar nicht! So unverständlich auch meine Reaktion auf dieses Geschöpf war, ich wollte mehr! Wollte zurück, ihm meine Zähne in den Hals rammen und mich von seinem Blut berauschen lassen, wie von der heftigsten Droge der Welt.
Und ich hasste diesen Zustand und dieses widerliche Verlangen!
„Ich muss dich hier wegbringen, du kannst dich ja überhaupt nicht mehr auf den Beinen halten!“
Ian schien belustigt über meinen Zustand.
Einige Minuten später war ich wieder ganz auf der Höhe. Eine Entschuldigung war für meinen in seinen Augen peinlichen Auftritt notwendig und ich verabschiedete mich schnellstmöglich. Einige Straßen weiter knackte ich ein schnelles Auto, stieg ein und drückte auf das Gaspedal.
Die Geschwindigkeit half mir, vom Durst Abstand zu bekommen. Mit jedem Kilometer, den ich mich entfernte, wurde meine Übelkeit weniger, bis sie schließlich ganz verschwand. Aber etwas blieb zurück. Die Unruhe, dass ich am liebsten wieder umdrehen würde. Es gab nur einen Weg aus diesem Schlamassel. Ich musste sofort weg. Weit weg.
Eines jedoch hinderte mich daran den direkten Weg auf die Schnellstraße zu nehmen.
Das Mädchen am Ufer. So viele Jahre hatte ich nun ohne eine Regung in meinem Herzen verbracht. Es waren immer nur die gleichen widerwärtigen Gelüste nach Blut.
Aber nun, war mein totes Herz erwacht und das verdankte ich diesem Mädchen ohne Namen und Adresse.
Mehr noch. Ich war ihr dankbar und brachte es jetzt nicht über das Herz einfach fort zufahren. Doch ich musste ein wenig Abstand von allem bekommen, von den seltsamen Regungen und Emotionen, die mir gänzlich unbekannt waren, und diese Ruhe bekam ich nur an einem Ort. In Island!
Doch so einfach konnte ich nicht davonfahren, das wusste ich. Es war noch einer dieser entsetzlichen Zwänge, denen man als Vampir unterworfen wurde. Wir mussten uns tatsächlich abmelden, wenn wir das Land verließen. Und in jedem Land gab es eine Vampirweise, die Buch darüber führte, wer sich wo aufhielt. Schließlich war die Anwesenheit aller Vampire auf der Welt zu offenbaren und zu sichern. Auch wenn man sich gegenseitig wenig anhaben konnte.
Also fuhr ich zuerst zur Englandweisen, die für uns alle „Mutter“ hieß, den langen Weg nach Westen aus der Stadt heraus, und dann erschien ihr Holzhaus auf einer Anhöhe. Einfach und schlicht gehalten, jedoch mit einem herrlichen Panoramablick auf die umliegenden Wälder. Gerade richtig. So konnte man das Essen vorbeilaufen sehen und geradezu ein Happen zwischendurch einnehmen.
Maureen saß auf ihrem Chaiselon und hörte gerade eine ihrer Lieblingsopern: Die Butterfly von Puccini, und die Musik bahnte sich gerade den Weg durch endlose chinesische Gärten mit den Liebenden an ihrer Seite. Mein schroffes und abruptes Eintreten in die Bibliothek, ließ sie auffahren. Trotz unserer normalen Blässe, die unsere blutlosen Körper hervorbrachten, fand ich, dass ihr in diesem Moment das kleine bisschen Farbe, das nur bei Maureen vorhanden war, aus dem Gesicht fiel.
„Was ist passiert?“, fragte sie ohne Umschweife und stand urplötzlich neben mir.
„David?“
Vor Scham konnte ich ihr kaum in die Augen sehen. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.
“Mutter, ich kann nicht länger hier bleiben. Die Düfte, ich kann sie ganz plötzlich nicht mehr ertragen, ich kann mich nicht mehr wie sonst beherrschen. Ich bin berauscht, betört, verzaubert.
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