Bitte Einzelzimmer mit Bad
»Tina, willst du mich heiraten?«
»Warum denn?« fragte sie automatisch, denn in ihrem zugegebenermaßen nicht sehr großen Bekanntenkreis wurde immer erst dann geheiratet, wenn ein Kind unterwegs war. Lilo mal ausgenommen, aber hier in Italien legte man eben noch Wert auf korrekte Formen.
Ein einfaches Nein hätte Brandt akzeptiert, obwohl er ein verschämtes Ja lieber gehört hätte, aber auf dieses unerwartete Warum war er nicht vorbereitet.
»Weil … weil du mir gefällst, weil ich gern mit dir zusammen bin, weil du Humor hast, weil … weil ich dich liebe!« Das war ja wohl der Hauptgrund und bei Frauen ohnehin der entscheidende! Seine persönlichen Verhältnisse kannte Tinchen sowieso, die waren gesichert und karriereverdächtig. Er würde jetzt sogar daran denken können, ein eigenes Haus zu bauen.
»Du sagst ja gar nichts?«
»Ich bin viel zu überrascht«, murmelte Tinchen. Natürlich hatte sie damit gerechnet, daß er ihr einen Antrag machen würde, allerdings nicht einen so seriösen. Weshalb sonst hätte sie wohl Schumann darauf vorbereitet, daß sie heute nacht wahrscheinlich nicht nach Hause kommen, sondern irgendwo außerhalb übernachten würde? Vielleicht sogar hier in Portofino. Abendessen bei Kerzenlicht, ein Spaziergang unter Sternen, von irgendwoher Mandolinenklänge – einfach bloß Gitarre wäre zu profan –, unter dem schützenden Dach einer Palme ein zärtlicher Kuß, Mondschein, betäubender Duft von exotischen Blumen (die wuchsen hier gar nicht, aber das war ja auch egal), Glühwürmchen … kurzum, die ganze Romantik einer südlichen Nacht, wie Tinchen sie aus Büchern kannte und selbst noch nie erlebt hatte. Und was kam statt dessen? Ein Heiratsantrag! Bei Eis und aqua minerale. Keine Rosen und kein »Ich kann ohne dich nicht mehr leben!«, einfach bloß »Willst du mich heiraten?«
»Nein!« sagte sie laut. »Ich heirate nicht! Weder dich noch einen anderen! Ich heirate überhaupt nie!«
»Ist das endgültig?« wollte Brandt wissen.
»Vorläufig endgültig!«
»Hm«, überlegte er, »wir müssen ja auch nicht gleich heiraten. So eine Ehe auf Probe wäre eigentlich nicht schlecht. Es könnte ja sein, daß wir gar nicht zusammenpassen. Schraubst du immer die Zahnpastatube zu?«
Verdutzt sah sie ihn an. »Ich glaube ja. Aber was hat das mit Heiraten zu tun?«
»An Zahnpastatuben sind schon viele Ehen kaputtgegangen.«
»Schraubst du sie denn zu?«
»Immer!« sagte er überzeugt.
»Wie beruhigend«, spöttelte sie, »dann gibt es einen Scheidungsgrund weniger.«
Brandt konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob das Gespräch in die falsche Richtung lief. »Ich erwarte ja gar nicht, daß du dich sofort entscheidest. Einen so schwerwiegenden Entschluß kann man nicht Hals über Kopf fassen. Überleg’ ihn dir in aller Ruhe. In spätestens sechs Wochen bin ich wieder in Hannover, und bis nach Düsseldorf sind es nur ein paar Autostunden. Dann werde ich mir deine Antwort selbst abholen.«
Also doch Kintopp! dachte Tinchen. Bedenkzeit, Antrittsbesuch bei den Eltern, Jawort, vorsorglich gekühlte Sektflasche, Freudentränen, Happy-End. Mutsch würde mit dem akademisch gebildeten Schwiegersohn renommieren, Vati würde die Achseln zucken und »Es ist schließlich
dein
Leben, Tinchen« sagen, und Karsten würde seinen Schwager mit Florian vergleichen, wobei das Resultat schon jetzt feststand.
Entschlossen stand sie auf. »Laß uns bitte heimfahren, Klaus.« Er war sofort dazu bereit. »Habe ich dir etwa die Stimmung verdorben?«
»Ich hab’ erst gar keine gehabt! So ein zauberhaftes Fleckchen Erde sollte man nicht besuchen, wenn man in fünf Tagen wegfahren muß und nicht weiß, ob man jemals zurückkommt. Wer hierherfährt, sollte glücklich sein.«
»Du bist nicht glücklich?«
»Nicht besonders«, sagte sie leise.
Zu ihren Mandolinenklängen kam sie aber doch noch. Spätabends stand am hinteren Ausgang des Hotels der Kellner Fernando und sah schmachtend zu Franca hinauf, die drei Stockwerke über ihm aus dem Fenster hing. Die Mandoline in seinem Arm glänzte verdächtig neu, aber bekanntlich ist den Italienern die Musikalität ja angeboren. Fernando war der lebende Beweis dafür. Virtuos entlockte er dem Instrument schmeichelnde Töne, und nur Tinchen sah den geschickt im Gebüsch verborgenen Kassettenrecorder.
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Kapitel 18
D ie Summe der Teile kann sehr wohl größer sein als das Ganze – besonders wenn man nach dem Urlaub seine Koffer packt.
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