Bitte Einzelzimmer mit Bad
»Des isch au schon seit mindeschdens fäzeh Tag nimmi geputzt worre!«
»Das könnte stimmen«, sagte Tinchen belustigt, »soviel ich weiß, werden hier alle drei Wochen die Fenster geputzt.«
»Awa net bei mir! Des g’hört jede Woch g’macht!«
Auch ohne den unverkennbaren Dialekt hätte Tinchen sofort gewußt, daß sie es mit einem typischen Exemplar der Gattung ›Schwäbische Hausfrau‹ zu tun hatte; bekanntlich ist ja die Elite dieses Berufszweiges in dem süddeutschen Musterländle beheimatet. Das Zimmer war makellos aufgeräumt, zwei Koffer lagen – rechtwinklig ausgerichtet – auf dem Schrank, ein dritter stand geöffnet auf dem Boden. Neben einem Sortiment von Handtüchern enthielt er auch mehrere Staublappen, Scheuertücher, zwei oder drei Schürzen, eine Hohlsaumdecke (die zweite, röschenbestickt, zierte bereits den runden Tisch), eine Wurzelbürste sowie eine respektable Auswahl an Putzmitteln. Neben dem Doppelbett lag ein säuberlich zusammengefalteter Stapel Hotelwäsche. Die Schlafdecken steckten in himmelblauem Damast, die für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich großen Kopfkissen in ebensolchen Bezügen mit Spitzenumrandung. Die Laken waren eine Schattierung dunkler und faltenfrei glattgezogen.
»Do gucke Se, Freilein, gelle? I nemm immä mei eigene Wäsch mit, wenn i fortgeh. Weiß ma denn, wer in denne annere Sach scho alles g’schlofe hat? Un so richtich gründlich mit Vorwäsch un Stärke hinnerhä wird do b’schimmt net g’wäsche. Mei Kisse bring i au immä mit, die do sin mir zu kloi un zu hart. Bloß mit de Teppich isch es ä bisset umschtändlich. Die Größ paßt net in mei Üwwerzüg. Wie wir vorigs Johr in Mallorca ware, hewwe sich die Teppich immä zusammegerollt. Diesmol hab’ i Sicherheitsnadle mitg’nomme.«
»Welche Teppiche?« Nach Tinchens Ansicht gehörte ein Teppich auf den Boden und nicht ins Bett.
»Sie sage jo Decke da dazu, bei uns im Schwäbische heißt des Debbich. Daheim hewwe mir nur Daune, awa die kennt ma ja do net. Die wäre au ä bissel zu warm. Ha, und daß i mei Zimmer selwa putz, isch au klar, des mecht mir nämlich koiner sauber g’nug. I bring mir au immä mei eigens Zeug mit, do bin i dran g’wöhnt, un do weiß i, was i hab. Bloß die Bürscht für d’Heizung hab i diesmol dahoam g’lasse. In Mallorca hab i sie nämlich net brauche könne, weil die do gar koi Heizung hewwe.«
»Weshalb verreisen Sie überhaupt?« fragte Tinchen verwundert.
»Ha, man will doch au mol was anneres sehe!«
Italienische Spinnweben und spanische Staubflocken, dachte Tinchen, für mehr interessierst du dich ja doch nicht! Trotzdem fragte sie höflich: »Gefällt es Ihnen denn hier?«
»Des kann i noch net sage. Mir sinn erscht geschtern okumme, un do hab i glei auspackt un als allererschtes des Bad putzt. Nachher, wenn’s Zimmer fertich isch, geh i eikaufe. En anschtändig’s G’sells zum Frühstück un frische Eier, wo mir uns dann koche losse, und für mei Mann ebbes Richtig’s zum Veschpern. Wisse Se, wo do da de beschte Metzger wohnt?«
Was auch immer das geheimnisvolle ›G’sells‹ sein mochte, Tinchen war davon überzeugt, daß Frau Wölfle es nirgends bekommen würde. Vermutlich handelte es sich um eine Spezialität aus Epfenbach, jenem Ort, in dem die Familie Wölfle beheimatet war, und der dicht bei Waibstadt liegen sollte. Tinchen hatte noch nie etwas von Waibstadt oder Epfenbach gehört, hütete sich aber, diese offensichtliche Bildungslücke zuzugeben. So ließ sie sich geduldig die geographischen Vorzüge von Epfenbach schildern, die wohl im wesentlichen darin bestehen, daß es irgendwo im Schwäbischen liegt, und beneidete Herrn Wölfle, der vor dem Reinlichkeitsdrang seiner Gattin geflohen und höchstwahrscheinlich in einer Kneipe gelandet war.
Endlich konnte sich auch Tinchen verdrücken. Unter dem Vorwand, wieder ins Büro zu müssen, hatte sie den Redefluß der mitteilungsbedürftigen Dame stoppen können. Zustimmend nickte die. »Ganget Se nur, wenn d’ Pflicht ruft, Freilein. 1 kenn des, mei Mann isch au Beamter.«
Das sind bestimmt die besten Ehemänner, sinnierte Tinchen, während sie den längen Flur entlangstapfte, abends sind sie niemals müde, und die Zeitung haben sie auch schon gelesen. Ob Herr Wölfle wohl statt dessen Geschirr spülte?
Während der nächsten Tage intensivierte sich der Kontakt zwischen Tinchen und Frau Wölfle hauptsächlich deshalb, weil Tinchen jedesmal als Dolmetscher bemüht wurde, sobald
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