Bitte Einzelzimmer mit Bad
war nicht vergessen worden. Er blickte anklagend in die Kamera inmitten eines unbeschreiblichen Durcheinanders von Zeitungen und Papieren, und oben drüber stand: Computer für Archiv gesucht.
Als Tinchen die letzte Seite des Albums aufschlug, sah sie ein Foto ihres eigenen Schreibtisches. Die Maschine war zugedeckt, in der leeren Kaffeetasse welkte eine gelbe Rose, und über ihrem ebenfalls leeren Stuhl prangte ein großes rotes Fragezeichen.
In ihren Augen glitzerte es verdächtig. »Weißt du, Flox, manchmal hast du mich ja bis zur Weißglut gereizt, und ein widerwärtiges Individuum bleibst du trotz allem, aber dieses Geschenk hier vergesse ich dir nicht! Von wem stammen denn die ganzen Aufnahmen?«
»Die sind von Rudi Wallner.« Florian grinste. »Der war direkt selig, daß mal einer Bilder von ihm haben wollte. Seine Fußballfotos ist er doch bei uns noch nie losgeworden!«
Noch einmal blätterte Tinchen die Seiten durch. Jede einzelne Aufnahme war mit dem dazugehörigen Autogramm versehen, besonders Korrekte hatten sogar das Datum an den Rand geschrieben.
»Es ist das originellste Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Tausend Dank, Flox!«
»Na ja, ich dachte mir, wenn du von Heimweh zerfressen und fern des tröstenden Zuspruchs auf den Klippen am Meeresrand sitzt, dann hast du doch wenigstens etwas, woran du dich festhalten kannst.«
»Und wenn du dann die dämlichen Visagen aller Zurückgebliebenen siehst, wird dein Heimweh sofort wieder vergehen!« unterbrach Sabine betont burschikos. »Hör mit diesem elegischen Geschwafel auf. Nach meiner Ansicht hat sich Tinchen genau den richtigen Zeitpunkt zum Absprung ausgesucht. Nächsten Monat fangen die doch schon an, uns zu verkabeln, und dann dauert es auch nicht mehr lange, bis aus unserem gemütlich-vergammelten Redaktionszimmer ein steriles Großraumbüro wird, in dem jeder vor seinem Bildschirm klebt und bloß noch Knöpfchen drückt!
Ich
würde jedenfalls liebend gern mit Tinchen tauschen!«
»Ich auch«, sagte Florian, »aber das braucht sie ja nicht zu wissen!«
Aus der Arbeit wurde an diesem Tag nicht mehr viel. Es hatte sich schnell herumgesprochen, daß im Sekretariat ein illegaler Getränkeausschank installiert war, und so fanden auch diejenigen dorthin, die sich normalerweise niemals blicken ließen. Sogar Herr Winterfeld tauchte auf, nahm dankend einen bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Whisky an und ermunterte Tinchen, gelegentlich ihre Reiseeindrücke zu Papier zu bringen.
»Die Leute lesen gern mal etwas Natürliches, Unverbildetes. Vielleicht eine kleine Plauderei über die einheimische Küche, angereichert mit ein paar Rezepten – so was kommt immer an!«
»Nachzulesen in jedem Kochbuch«, ergänzte Sabine, nachdem Herr Winterfeld sich mit vielen guten Wünschen für Tinchens Wohlergehen verabschiedet hatte.
Auch Herr Dahms hatte seine eigenen Vorstellungen von ihrer künftigen Freizeitgestaltung. »Wenn Sie in Italien sind, finden doch dort unten gerade die Europameisterschaften statt. Wie wär’s denn mit einem kleinen Stimmungsbericht? Nichts Sportliches natürlich, vom Fußball haben Sie ja doch keine Ahnung. Aber Sie könnten doch mal dem Volk aufs Maul schauen! Meinungsäußerungen und so weiter! Muß natürlich etwas Heiteres sein, für das Gegenteil sorgt schon unsere Nationalmannschaft!«
»Ob die alle glauben, ich fahre zu meinem Privatvergnügen nach Verenzi?« fragte Tinchen, während sie ihren Schreibtisch ausräumte und ihre Habseligkeiten in einem Pappkarton mit der Aufschrift ›20 Dosen Pfalzer Leberwurst‹ verstaute. »Willst du übrigens die Erbsensuppe haben?« Auffordernd hielt sie drei Packungen Fertigsuppen in die Höhe. »Die hat der Gerlach mal in einer Tombola gewonnen und in einem Anflug von Großmut dem Redaktionsfonds gestiftet. Angeblich mag er keine Erbsen.«
Sabine winkte ab. »Gib sie Flox! Der sammelt das Zeug. Ich habe ihn neulich im Supermarkt getroffen, als er das halbe Regal abgeräumt hat.«
»Was habe ich abgeräumt?« Unbemerkt war Florian wieder ins Zimmer getreten.
»Tütensuppen! Du mußt doch schon ein ganzes Lager davon haben!«
»Aber doch nicht zum Essen!« Entsetzt wehrte der so Verdächtigte ab. »Ich klebe die Dinger an die Wand, damit die Küche nicht so kahl aussieht!« Er griff sich den Karton und eilte wieder zur Tür. »Ich warte lieber im Wagen auf dich. Abschiedsszenen machen mich immer so melancholisch, und wenn ich melancholisch bin, muß ich saufen. Andererseits
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