Bitte Einzelzimmer mit Bad
eine Beerdigung handelte, und so ergänzte er schnell: »Abschied nicht für immer, sondern nur von einer Mitarbeiterin, die uns jetzt verlassen will, weil sie uns verlassen muß beziehungsweise möchte …«
»Nun hat er endgültig den Faden verloren«, flüsterte Sabine. Die war auch schon da, obwohl ihr Dienst erst mittags begann.
Eine hilfreiche Hand schob dem Redner ein eingewickeltes Päckchen zu. Dr. Vogel griff danach wie nach einem rettenden Strohhalm, drückte es an die Brust und fuhr fort: »Damit Sie Ihre bisherige Wirkungsstätte nicht völlig vergessen, haben Ihre Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch wir« – damit blickte er gönnerhaft lächelnd zu seinen Redakteuren – »ein kleines Abschiedsgeschenk vorbereitet. Möge es Sie an die arbeitsreichen, manchmal jedoch auch mußevollen Stunden in diesen Räumen erinnern!«
Unter dem höflichen Beifall der Anwesenden überreichte er Tinchen das Päckchen.
»Die Blumen!« soufflierte eine Stimme.
»Ach ja, die Blumen.« Dr. Vogel sah sich irritiert um. »Wo sind die denn überhaupt?«
Sabine griff nach einem voluminösen Nelkenstrauß, der noch im Waschbecken schwamm, und drückte ihn dem Sperling in die Hand. Mit einer gemessenen Verbeugung reichte er ihn an Tinchen weiter.
Sie war so überrascht, daß sie nicht wußte, was sie sagen sollte. Schon die Tatsache, nahezu die gesamte Redaktion vor sich aufgereiht zu sehen, verschlug ihr die Sprache. Sie versteckte ihr feuerrotes Gesicht hinter den Blumen und fing hilflos zu stottern an:
»Es ist … ich meine … ich wollte sagen … ich bin so überwältigt, daß ich nicht weiß, was ich sagen soll. Mir fällt das Weggehen sowieso nicht leicht, und nun auch noch dieser feierliche Abschied – das ist einfach zu viel auf einmal!«
Schluchzend drückte sie Sabine die Nelken in die Hand und lief zur Tür hinaus Richtung Damentoilette. Sabine warf die Blumen auf den Schreibtisch und rannte hinterher.
»Meine Güte, Tinchen, seit wann hast du denn so dicht am Wasser gebaut? Dabei war es doch urkomisch, wie der Sperling mit seiner Leichenrede anfing. Die hat er zum letzten Mal gehalten, als der alte Nickelmann gestorben war.« Hilfreich gab sie Tinchen ein Papiertaschentuch. »Nun beruhige dich wieder, der Auftrieb ist ja jetzt zu Ende. Von elf bis zwölf findet in der Kantine das große Gelage statt: Vogel hat fünf Flaschen Sekt kaltstellen lassen. Wenn alle kommen, kriegt jeder ein halbes Glas voll. Nur gut, daß wir noch etwas Gehaltvolleres in Reserve haben!«
Tinchen hatte sich wieder etwas restauriert und war nunmehr bereit, allem Kommenden gefaßt ins Auge zu sehen. Viel zu sehen gab es allerdings nicht. Das vorhin beinahe überquellende Zimmer war fast leer, nur Florian lümmelte auf einer Schreibtischkante herum und betrachtete versonnen den großen Blumenstrauß. Irgend jemand hatte ihn in einen leeren Farbeimer gestellt.
»Wenn man bedenkt, daß eine Nelke ungefähr einsfuffzig kostet, dann kannst du dir ausrechnen, wieviel du denen wert bist – nämlich genau dreißig Mark. Ich habe mich an der Sammlung für dieses Gemüse übrigens nicht beteiligt.«
»Hier zählt nicht der materielle Wert, sondern der ideelle«, sagte Tinchen. »Außerdem sind Nelken meine Lieblingsblumen. Was ist eigentlich in dem Päckchen?«
»Mach es doch auf! Die Idee zu diesem Angebinde stammt von mir, sonst hättest du doch wieder die übliche Bowlenschüssel oder eine andere Scheußlichkeit bekommen!«
Vorsichtig entfernte sie das Seidenpapier. Zum Vorschein kam ein Fotoalbum aus rotem Leder. Sie schlug es auf und entdeckte auf der ersten Seite den Kopf des Tageblatts. Neugierig blätterte sie weiter. Da waren sie alle, die würdevollen Herren des Hauses und ihre weniger würdevollen, weil noch nicht arrivierten Mitarbeiter.
Auf jeder Seite blickte Tinchen ein anderer Repräsentant der Zeitung an, umgeben von gezeichneten oder eingeklebten Attributen seines Ressorts. Da stapelte sich ein Bücherberg, auf den Dr. Laritz mit ernster Miene herabsah; da gab es Kinoanzeigen, Brieftauben und flüchtig skizzierte Biergläser, womit das Arbeitsgebiet von Herrn Müller-Menkert genügend aufgezeigt wurde. Auf einem riesigen Fußball thronte Herr Dahms, und auf dem Gipfel des Matterhorns stand ein jodelnder Herr Winterfeld, zuständig für ›Reise und Erholung‹. Ihm zu Füßen begoß Frau Fischer einen gemalten Gummibaum. Der Uhu posierte mit einem Blumenkohl in der Hand, und sogar Herr Amreimer
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