Bitte Einzelzimmer mit Bad
Fahren Sie vorläufig immer geradeaus, ich sage Ihnen früh genug, wo Sie abbiegen müssen!«
Noch Tage später dachte Tinchen mit Schrecken an diese Fahrt zurück, obwohl sie das Auto überhaupt nicht beschädigt und sich auch nur zweimal verfahren hatte. Was konnte sie denn dafür, daß der Wegweiser von einer riesigen Reklametafel verdeckt gewesen war? Brandt hätte ja auch aufpassen können, statt pausenlos mit Lilo zu flirten! Natürlich war es für ihn unangenehm gewesen, mit nassen Hosenbeinen im Bach zu stehen und den Wagen aus dem glitschigen Schlamm schieben zu müssen, aber es war ja nichts Ernsthaftes passiert. Und welcher einigermaßen mitdenkende Mensch legt seine Jacke so dicht ans Ufer, daß sie schon von einer kleinen Welle weggespült wird? Die Tante konnte ihm ja eine neue kaufen!
Zugegeben, nach Portofino waren sie nicht mehr gekommen, aber sie hatten es aus der Ferne bewundert. Hübsch hatte es ausgesehen mit den an die Berge geklebten Lichtern, die im Wasser widerspiegelten, und deren Schein sich mit den bunten Lampen des Jachthafens vermischte. Zwischen dahinjagenden Wolken hatten Sterne bläuliche Morsezeichen geblinkt, und die von der leichten Brandung genoppte Felsenküste hatte in der Dunkelheit sogar ein bißchen bedrohlich gewirkt.
»Am Tage sieht es richtig malerisch aus«, hatte Brandt behauptet, und Tinchen hatte das ohne weiteres geglaubt. Irgendwann würde sie bestimmt noch mal nach Portofino kommen. Heute hätte die ganze romantische Kulisse sowieso nichts genützt. Bei dreien ist eben immer einer zuviel!
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Kapitel 8
E inzelzimmer mit Bad, Einzelzimmer mit Bad, Balkon und Seeblick, Einzelzimmer mit Bad … wo um Himmels willen soll ich die denn bloß alle herkriegen?« Ratlos blickte Tinchen auf den großen Papierstapel zu ihrer Linken, während rechts neben ihr lediglich ein kleines Häufchen lag, das sie nun schon zum dritten Mal durchzählte. »Nur sieben Doppelzimmer, dafür dreiundzwanzig Einzelzimmer, zwei Drittel davon mit Blick aufs Meer! Sind die in Frankfurt wahnsinnig geworden? Die kennen unser Bettenkontingent doch bis zur letzten Badewanne und sollten langsam wissen, daß sie nicht mehr Einzelzimmer verkaufen können als tatsächlich vorhanden sind. Was soll ich denn jetzt machen?«
»Laß deinen Charme spielen!« empfahl Lilo. »Dieser Signor Sowieso vom Hotel Garibaldi hat’s doch schon lange auf dich abgesehen! Wenn du ihm ein bißchen um den Bart gehst, tritt er dir vielleicht noch zwei Einzelzimmer ab.«
»Denkste! Der zeigt mir höchstens ein Doppelzimmer und erwartet, daß ich es zusammen mit ihm benutze. So weit geht mein Engagement für unsere Gäste nun doch nicht!«
»Die Zeiten haben sich geändert! Als ich mit meinem damaligen Verlobten in so einem friesischen Kaff ein Doppelzimmer haben wollte, kriegten wir keins, weil wir nicht verheiratet waren. Jetzt bietet man den Pärchen welche an, und sie wollen sie nicht! Verstehst du das?«
»Nein! Ich hab’ hier sogar ein Ehepaar, das getrennte Zimmer wünscht!« Tinchen wühlte in den Papieren. »Hier. Wolfgang Schmitz, neunundzwanzig, wohnhaft in Köln-Ehrenfeld, und Undine Schmitz, ebenfalls Köln-Ehrenfeld. Beide haben je ein Einzelzimmer im Paradiso gebucht.«
»Heißt die wirklich Undine?«
»Vielleicht ist ihr Vater Opernsänger und ihre Mutter ein Goldfisch, aber das interessiert mich herzlich wenig. Viel schlimmer ist ihr Drang zur Einsamkeit!« Sie krauste die Stirn und nuckelte grübelnd am Kugelschreiber. »Ob ich die beiden einfach in ein Doppelzimmer stecke? Kann ja sein, daß sie sich verkracht haben, also muß man ihnen die Möglichkeit geben, sich wieder zu versöhnen.«
»Und wenn der Mann bloß schnarcht?«
»Daran wird sie sich im Laufe der Ehe gewöhnt haben!« Entschlossen packte Tinchen die Anmeldungen auf die rechte Seite. »Die kommen in ein Zimmer, ob es ihnen nun paßt oder nicht! Trotzdem fehlen mir immer noch neun Einzelzimmer. Ich muß mich also wieder auf den wöchentlichen Rundgang machen und zusehen, wie viele Doppelzimmer ich diesen Hyänen als Einzelzimmer aus dem Kreuz leiern kann. Dabei würden die Hoteliers aus lauter Raffgier am liebsten in jede Besenkammer noch ein Bett schieben und vermieten!«
»Viel Spaß!« wünschte Lilo schadenfroh.
Das anfangs gute Verhältnis zwischen den beiden hatte sich seit jener Fahrt nach Portofino merklich abgekühlt. Ihre Drohung hatte Tinchen wahrgemacht und sich strikt geweigert, ihrer Kollegin auch weiterhin einen
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