Bitte Einzelzimmer mit Bad
Teil der Arbeit abzunehmen. »Inzwischen hast du genügend Zeit gehabt, dich in den ganzen Kram reinzufinden, also kümmere dich gefälligst selbst um alles.«
Lilo hatte mit beleidigtem Achselzucken reagiert, und ein paar Tage lang hatten sich die beiden mit giftigen Blicken angeschwiegen, aber auf die Dauer hatten sich ihre pantomimischen Fähigkeiten erschöpft, und sie waren zu einem normalen Umgangston zurückgekehrt.
Bevor Tinchen die ›Röhre‹ verließ, erkundigte sie sich maliziös:
»Hast du heute abend etwas Besonderes vor?«
»Nein, wieso?«
»Dann besteht ja wohl Hoffnung, daß du mal pünktlich im Büro sein kannst! Ich bin es leid, ständig Stallwache zu schieben, während du noch im Bett liegst. Schade, daß der Kater immer erst dann kommt, wenn der Rausch längst verflogen ist, nicht wahr?«
Sie knallte die Tür hinter sich zu und bemerkte erst draußen, daß sie die Autoschlüssel auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte. Noch mal zurück? Nein, auf keinen Fall! Nach diesem eindrucksvollen Abgang konnte sie unmöglich umkehren. Damit hätte sie die ganze Wirkung verdorben! Andererseits bedeutete ihr Entschluß mindestens vier Kilometer Fußmarsch quer durch Verenzi, und das auf hohen Absätzen! Warum mußten die einzelnen Vertragshotels auch alle so weit auseinanderliegen?
Nach dem fünften vergeblichen Bittgang – »Mi dispiace tanto, Signorina, aber wir haben keine zusätzlichen Einzelzimmer mehr frei!« – resignierte Tinchen. Sie brauchte jetzt entweder eine Pause oder andere Schuhe. Die Cafeteria ist billiger, entschied sie, suchte sich eine leere Hollywoodschaukel vor einem der zahlreichen Promenadencafés, bestellte einen doppelten Espresso und streifte erleichtert ihre Sandaletten ab. Die Dinger waren sowieso zu eng, aber sie hatten Tinchen so gut gefallen, und eine Nummer größer waren sie nicht mehr im Lager gewesen. Ich bin eben noch nicht alt genug, um mehr auf die Paßform von Schuhen zu achten als auf ihre Eleganz, dachte sie und rieb die schmerzenden Füße. Und wenn ich nicht die blöden Schlüssel vergessen hätte …
»Ich habe mir entschieden den falschen Beruf ausgesucht«, klang eine fröhliche Stimme neben ihr. »Reiseleiter hätte ich werden sollen! Welcher andere Arbeitnehmer kann es sich schon leisten, am hellen Vormittag tatenlos in der Sonne zu sitzen?«
Empört sah Tinchen hoch. Was bildete sich dieser Klaus Brandt eigentlich ein? Ausgerechnet der hatte nun wirklich keinen Grund, sich über sie lustig zu machen. Tut gar nichts, wird von einer Pseudo-Tante ausgehalten und spielt in seiner Freizeit den Papagallo! Was kann man von so einem schon erwarten? Wenn er jedem hübschen Mädchen nachstarrt, liegt es bloß daran, daß sein Auge besser entwickelt ist als sein Verstand. Zweimal hatte er schon mit Lilo telefoniert, und wer weiß, wie oft er sie angerufen hatte, wenn sie, Tinchen, nicht im Büro gewesen war? Soll er sich doch weiterhin mit dem Blondchen die Zeit vertreiben!
»Schweigen Sie immer in Fortsetzungen?«
»Sollte ich Selbstgespräche führen?«
»Wie wäre es, wenn Sie sich mit mir unterhielten?« Ungeniert setzte er sich in die Schaukel und strahlte Tinchen an. »Ich bin sehr vielseitig interessiert, müssen Sie wissen! Wir können übers Wetter reden, über Kaninchenzucht oder gemeinsam überlegen, wie wir den heutigen Abend verbringen werden.«
»Im Bett!« sagte Tinchen sofort. Erst als sie Brandts ironisches Lächeln sah, verbesserte sie sich hastig: »Ich meine natürlich, daß ich früh schlafen gehen werde.«
»Sehr vernünftig«, lobte er. »Leider bin ich nicht solch ein Arbeitstier wie Sie, das um acht Uhr vor Erschöpfung in die Federn fällt. Als anpassungsfähiger Mensch habe ich mich sehr schnell an die südländischen Sitten gewöhnt. Oder sollte Ihnen entgangen sein, daß man hier erst am Abend anfängt zu leben?«
»Wie schön für Sie! Dann brauchen Sie ja Ihre Tante nicht zu fürchten. Oder ist sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch sehr vergnügungssüchtig?«
Der belustigte Blick, mit dem Brandt sie musterte, entging Tinchen. Sie kramte in ihrer Handtasche nach Kleingeld. Als sie wieder aufsah, hatte er schon eine gleichgültige Miene aufgesetzt.
»Tante Josephine geht nicht mehr so häufig aus, zwei- oder dreimal die Woche. Montags allerdings nie, da spielt sie Bridge. Deshalb habe ich heute ja auch meinen freien Tag! Also, wie ist es nun mit uns beiden? Gehen wir nachher ein bißchen bummeln?«
Ihre
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