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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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schlanke Gestalt erstarrte zu einem mißbilligenden Fragezeichen. »Wir?«
    »Wenn Sie natürlich zu müde sind, können wir es auf ein anderes Mal verschieben. Vielleicht hat Ihre Freundin Lust? Wissen Sie, wo ich sie erreichen kann? Am Telefon meldet sie sich nämlich nicht.«
    »Wahrscheinlich in irgendeiner Hotelbar!« sagte Tinchen patzig. »Sie wird von Ihrem Vorschlag sicher begeistert sein! – Cameriere, il conto per favore!«
    »Wenn man lediglich einen Kaffee getrunken hat, sagt man besser: Ouanto ho da pagare? Eine Rechnung verlangt man nur im Restaurant!« korrigierte Brandt.
    »Ich verzichte auf Ihre Belehrung!« Wütend knallte Tinchen ein 500-Lire-Stück auf den Tisch und rannte los.
    »Wollen Sie Ihre Schuhe nicht mitnehmen?«
    Sie drehte wieder um, riß dem spöttisch grinsenden Brandt die Sandaletten aus der Hand und nickte hoheitsvoll. »Danke. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen heute abend. Und empfehlen Sie mich Ihrer Frau Tante!«
    Wie sie in ihr Hotelzimmer gekommen war, konnte sie später nicht mehr sagen. Sie wußte nur noch, daß sie blindlings drauflosgestapft war, nicht auf den Weg geachtet hatte und prompt mit dem Absatz in einem Gully hängengeblieben war. Jetzt waren die teuren Schuhe hinüber, außerdem tat ihr Knöchel weh, und die helle Hose war nach dem Sturz auch reif für die Reinigung. Alles bloß wegen dieses eingebildeten, arroganten Gigolos, der doch tatsächlich glaubte, daß jede Frau auf ihn fliegt! Sie aber nicht! Sie hatte ja schon immer gewußt, daß richtig unangenehm nur die Halbstarken zwischen Dreißig und Vierzig sind! Sollte er doch mit Lilo herumziehen! Die paßte großartig zu ihm! Bei der war der geistige Horizont auch bloß der Abstand zwischen Gehirn und Brett!
    Tinchen suchte ein Taschentuch. Warum heulte sie überhaupt? Na ja, der Knöchel tat wirklich scheußlich weh. Ob sie es mal mit einem kalten Umschlag versuchte? Schniefend humpelte sie ins Bad. Während sie das nasse Handtuch um ihren Fuß klatschte, entdeckte sie den Brief. Schon hundertmal hatte sie Franca gesagt, daß sie die Post unten im Schlüsselfach liegenlassen sollte.
    Warum mußte Mutsch bloß jeden Briefumschlag zusätzlich mit Tesafilm verkleben? Hatte sie Angst, die italienischen Postbeamten würden ihre seitenlangen Episteln mitlesen? Tinchen kramte nach der Schere, fand sie nicht und versuchte, das Kuvert mit dem Finger aufzuschlitzen. »Autsch!« So, jetzt war wenigstens der Nagel auch hin! Heute ging wirklich alles schief!
    Sie ließ sich auf das Bett fallen und begann, Antonie Pabsts gestochen scharfe Sütterlinschrift zu entziffern:
    10. Mai 1976
    Mein liebes Tinchen,

nun bist Du schon über sechs Wochen weg und hast Dich erst zweimal gemeldet. Natürlich begreife ich, daß Du viel zu tun hast, das sage ich ja auch immer zu Oma, die ebenfalls auf Post von Dir wartet, aber ein bißchen Zeit solltest Du doch für Deine Lieben daheim erübrigen können.
Wie schön, daß Du Dich mit Deiner Kollegin so gut verstehst,
    (meinen Brief nach Hause muß ich wirklich schon vor einer ganzen Weile geschrieben haben, dachte Tinchen)
    denn auch schwierigste Aufgaben lassen sich leichter bewältigen, wenn man sich aufeinander verlassen kann.
    (Haha, lachte Tinchen erbittert, wer verläßt sich denn hier auf wen?)
    Bei euch wird es sicher schon viel wärmer sein als hier, wo es überhaupt nicht Frühling werden will. Die Tulpen im Garten fangen gerade erst an zu blühen, und das Mandelbäumchen will auch nicht so richtig kommen. Gestern habe ich Petersilie gesät und die Salatpflanzen in die Erde gebracht. Hoffentlich gibt es keinen Nachtfrost mehr.
    Ziehst Du Dich auch immer schön warm an? Frau Beinholz von vis-à-vis, die über Ostern in Spanien gewesen ist, hat mir erzählt, daß es nur in der Sonne richtig warm ist, während man im Schatten leicht zu frösteln anfängt. Ich schicke Dir mit gleicher Post ein paar Mako-Schlüpfer. Du hast bestimmt keine mitgenommen, und da unten im Süden wirst Du wohl keine bekommen. Du weißt ja, wie lange Du vor drei Jahren mit Deiner Nierenbeckenentzündung herumgedoktert hast!
    Oma läßt schön grüßen. Sie hat bei einem ihrer Canasta-Abende den Bruder von Frau Sanitätsrat Kreipel kennengelernt – das ist die mit dem Pekinesen –, und vorigen Donnerstag waren sie zusammen in der Oper. Am Wochenende wollen sie gemeinsam eine Dampferfahrt auf dem Rhein machen. Ich weiß nicht, ob man da einfach tatenlos zusehen kann. Wir kennen diesen Mann doch gar

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