Bitte Einzelzimmer mit Bad
über die Beine.
»Danke!« Er muß mich für ausgesprochen gebrechlich halten! Ist ja auch kein Wunder, wenn ich immer im Schatten von diesem Glamourgirl stehe! Bloß Fassade mit nichts dahinter! Wütend nahm Tinchen sich vor, Lilo ab sofort ihrem Schicksal zu überlassen. Sollte die sich doch künftig mal selbst mit den Hoteliers auseinandersetzen. Jedesmal, wenn irgend etwas schiefgelaufen war, mußte Tinchen einspringen, weil Lilo ihre mangelnden Sprachkenntnisse vorschob. Dabei war sie nur zu faul, ihre Nase auch mal in ein Lehrbuch zu stecken statt nur ins Campariglas! Und überhaupt wimmelte sie die meiste Arbeit auf Tinchen ab und fuhr lieber mit ›Sole mio‹ durch die Gegend. Gästebetreuung nannte sie das! Was gab es da schon zu betreuen? Die Beschwerden halste sie Tinchen auf, während sie selbst den meist gutaussehenden Männern und notgedrungen auch deren Begleitung die Sehenswürdigkeiten der Umgebung zeigte.
»Du bist doch den Bürokram gewöhnt«, pflegte sie zu sagen. »Ich übernehme lieber den Außendienst. Dazu braucht man Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis! Beides hast du nicht!«
Aber das würde sich jetzt ändern! schwor Tinchen. Sie würde nicht mehr stundenlang in der ›Röhre‹ sitzen und Zimmerreservierungen zählen, während Lilo als Dolmetscherin (haha!) und Sachverständige mit souvenirwütigen Gästen herumzog und sich dabei gründlich übers Ohr hauen ließ!
Von dem Gespräch auf den Vordersitzen bekam sie nichts mit, aber es schien eine recht lustige Unterhaltung zu sein. Lilo kicherte in einer Tour, und Brandt bemühte sich redlich, seine Aufmerksamkeit zwischen der Straße und seiner Nachbarin zu teilen. Tinchen schwante Fürchterliches. »Unfälle entstehen häufig nur deshalb, weil die Leute ihr Auto mit ebensoviel Selbstbewußtsein wie Benzin fahren!« bemerkte sie sarkastisch, als Brandt haarscharf an einem entgegenkommenden Bus vorbeimanövriert war.
»Wollen wir die Plätze tauschen?« fragte er hinterhältig.
Sie gab keine Antwort. Es fehlte gerade noch, daß sie sich mit ihren jämmerlichen Fahrkünsten blamierte. Außerdem war der Lancia fast doppelt so lang wie ›Sole mio‹, und wenn es sich auch nicht gerade um das allerletzte Modell handelte, so war der Wagen sehr gepflegt, und eine Beule hätte sein gediegenes Aussehen doch erheblich beeinträchtigt.
»Ist das eigentlich Ihr Auto?« wollte Lilo wissen.
»Nein, es gehört meiner Tante, aber sie fährt nicht mehr selbst, und deshalb kann ich es benutzen. Auch dann, wenn ich nicht gerade Chauffeur für sie spiele.«
Aha, so war das also! kombinierte Tinchen. Die Tante hatte ihrem Untermieter sogar einen offiziellen Status gegeben. Wie alt mochte sie tatsächlich sein? An die 74 Jahre glaubte sie natürlich nicht, schließlich war man hier ja nicht in Florida, wo sich bekanntlich reiche ältere Damen jugendliche Liebhaber hielten, aber vielleicht um die Vierzig herum? Oder noch älter? Ist auch völlig egal, jedenfalls war dieser Klaus Brandt ein Hallodri, ein Windhund, ein Gigolo, und, wenn sie’s recht bedachte, auch gar nicht ihr Typ. Sie hatte doch noch nie für blonde Männer geschwärmt.
Das Ortsschild von Rapallo tauchte auf, und wenig später parkte Brandt auf einer großen, von riesigen Blumenrabatten umsäumten Piazza. Ganze Regimenter strammstehender Tulpen leuchteten in allen Farben, während das dahinterliegende Meer schamlos in der Sonne blinzelte. Tinchen war so in diesen Anblick versunken, daß sie Lilos Entsetzensschrei überhörte und erst aufmerksam wurde, als die sie energisch am Arm zog. »Gib mir mal schnell meine Wolljacke her!«
Suchend sah sich Tinchen um. »Hier ist keine! Die wirst du wohl im Fiat gelassen haben.«
»Dann gib mir deine! Ich muß mir irgend etwas über den Po hängen, mir ist eben meine Hose geplatzt!«
»Das schadet dir gar nichts!« Schadenfroh inspizierte sie die aufgerissene Naht, zog ihre Jacke von den Schultern und reichte sie aus dem Wagen. »Weshalb kaufst du dir ewig diese engen Dinger? Für dich scheint es nur drei Größen zu geben: Klein, mittel und nicht bücken!«
»Quatsch! Die müssen in der Reinigung eingegangen sein.« Lilo knotete die Jackenärmel in Taillenhöhe zusammen und drapierte den Rest so geschickt, daß der fragliche Bereich notdürftig bedeckt war. »Was mache ich denn jetzt bloß? Ich kann doch nicht den ganzen Tag mit diesem rosa Fetzen um den Bauch herumlaufen?«
Brandt nahm die Hiobsbotschaft mit einem
Weitere Kostenlose Bücher