Bitte keine Rosen mehr
fixe nannte. Heutzutage spricht man von einer Zwangsvorstellung.«
Er sagte laut etwas über meinen Charakter. Was er sagte, war wahrscheinlich recht unerfreulich und möglicherweise sogar zutreffend; da er es jedoch auf holländisch sagte, bin ich nicht sicher. Ich wollte ihn gerade bitten, es mir zu übersetzen, als Melanie uns unterbrach.
Sie trat nicht auf die Terrasse heraus, sondern rief von einem Wohnzimmerfenster aus nach mir. Ich drehte mich um, und sie machte mir ein Zeichen. Offenbar war, was sie mir zu sagen hatte, nicht für andere Ohren bestimmt. Ich entschuldigte mich und trat ans Fenster.
»Was gibt’s?«
»Yves will Sie sprechen. Er wollte sich nicht zeigen, weil er ziemlich dreckig war. Er ist oben in seinem Zimmer.«
»Ist es dringend?« Es widerstrebte mir, ausgerechnet jetzt wegzugehen und womöglich wie ein Drückeberger zu erscheinen.
»Ja, Paul. Ich glaube, es ist dringend.«
»Gut. Gehen Sie rüber, und sagen Sie ihnen, daß ich gleich zurück bin.«
Ich ging zu Yves’ Zimmer hinauf. Er hatte geduscht und trocknete sich gerade ab. Er begrüßte mich mit jener verdrießlichen Phrase, die mir nachgerade auf die Nerven ging. Nur daß er sie diesmal um des erhöhten Nachdrucks willen leicht variierte.
»Nous sommes vraiment foutus« , sagte er.
»Erzählen Sie mir, was geschehen ist. Ich ziehe dann meine eigenen Schlüsse daraus, Yves.«
Er bedachte mich mit diesem düster dräuenden Blick, der Connell an einen ihm bekannten Kammerjäger erinnert hatte. »Ich habe nicht vergessen, daß ich Ihren Weisungen unterstellt bin, Patron.«
»Gut. Was ist passiert?«
Er lächelte unangenehm. »Was passiert ist? Ich werde von Minute zu Minute nervöser. Das ist passiert. Kennen Sie das Haus von oben bis unten?«
»So ziemlich. Warum?«
»Dann werden Sie wissen, daß es auf dem Dachbodengeschoß zwei Fenster gibt, von denen aus, wenn man vom einen zum andern geht, bei Tageslicht praktisch das ganze umliegende Gebiet zu überblicken ist.«
»Ja.«
»Bei Sonnenaufgang habe ich dort mit einem Feldstecher Posten bezogen. So gegen halb sieben sah ich etwas, was mir nicht gefiel. Und zwar auf dem Streifen Land jenseits der unteren Küstenstraße an der rechten Seite der Bucht.«
»Sie meinen die Landzunge mit den Tamarisken darauf?«
»Diesen kleinen Bäumen? Ja. Es gibt dort auch Büsche. Da war jemand.«
»Der Streifen Land liegt außerhalb dieses Grundstücks. Ich glaube, er gehört der Gemeinde. Was für eine Person war das?«
»Das erste, was ich sah, war so ein Aufblitzen von Licht, wie es geschieht, wenn Ferngläser Sonnenstrahlen reflektieren, aber es war nicht genau zu erkennen, weil das Aufblitzen aus dem Gebüsch kam.«
»Jemand, der seinerseits genauso Wache hält, um dieses Haus zu beobachten, wie Sie vom Dachboden aus Ihrerseits die Umgebung des Hauses beobachten?«
»Das ist es, was ich gedacht habe. Ich habe auch gedacht, daß es ein Amateur sein muß, jemand, der noch nicht einmal genügend Ahnung hatte, um im Schatten zu bleiben, damit die Sonne keine Reflexe erzeugt. Als Melanie mir Kaffee brachte, erzählte ich ihr, was ich gesehen hatte, und ging los, um mir den Späher näher anzusehen. Ich habe auch gedacht, ich könnte diesem Amateur vielleicht ein bißchen angst machen.«
»Und?«
»Es war kein Amateur da, und ich habe niemandem angst gemacht, außer mir selber.« Er zog sich frische Unterwäsche und eine saubere Hose an, während er fortfuhr.
»Was ich blitzen sah, war der Boden von zwei neuen, glänzenden Dosen Tomatensaft. Sie waren mit Klebestreifen zusammengehalten und hingen an einem schwarzen Faden gerade so tief von einem Ast herab, daß sie sich hinter einem Busch befanden. An dem Klebestreifen war eine Schnur befestigt, die ungefähr dreißig Meter weit durch das Buschwerk hindurch zurückreichte. Dies bezweckte zweierlei. Es hielt die Konservenbüchsen in dieser Richtung fest, und es ermöglichte der Person am anderen Ende der Schnur, die Dosen leicht hin und her zu bewegen, wie sich ein Fernglas bewegt, das jemand, der die Gegend absucht, in der Hand hält.«
»Also folgten Sie der Schnur bis ans Ende und stellten fest, daß die Person verschwunden war.«
Yves saß auf der Bettkante und holte, nachdem er darunter gelangt hatte, einen Schuh hervor. »Das ist nicht alles, was ich festgestellt habe.« Er hielt den Schuh hoch.
»Sehen Sie sich das bitte mal an.«
Es war ein Espadrille aus blauem Leinen, von der Sorte, die früher schlichte
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