Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
die – wie Rory ihr vor Wut und Liebe zu dem Jungen den Tränen nah berichtet hatte – kein Interesse an ihrem eigenen Kind hatte. Die den Jungen in der Obhut seines ihm völlig unbekannten Stiefvaters gelassen und die beiden verlassen hatte.
Diese Frau sah sie jetzt mit echter Panik und Sehnsucht im Blick an.
»Hast du ihn gesehen?«
»Ja, natürlich, aber ...«
»Du hast meinen Sydney gesehen!« Consuela ergriff Lindas Hand. »Bitte, Linda, sag mir, dass du meinen Jungen gesehen hast! Wie geht es ihm?«
»Hast du ihn denn nicht gesehen?«
Consuelas hübsches Gesicht legte sich in hässliche Falten.
»Nein«, sagte sie nur. Dann fügte sie mit sich blähenden Nasenflügeln hinzu: »Sie tun alles, um ihn von mir fernzuhalten.«
Linda schüttelte den Kopf. Sie verstand nicht.
»Wen meinst du mit ›sie‹? Frank und Rory?«
Consuela nickte und kämpfte gegen die Tränen.
»Ja, Frank und Rory. Sie haben sich gegen mich verschworen und lassen mich Sydney nicht sehen.«
»Das glaube ich nicht ...«
»Du glaubst mir nicht?« Consuela ließ Lindas Hand fallen, als hätte sie sich daran verbrannt. »Sie glaubt mir nicht!« Beleidigt wandte sie sich ab.
»Das würde Frank dir niemals antun ... Und Rory auch nicht ...«
»Das würden sie niemals tun, sagst du? Sie tun es aber! Wie lange kennst du sie schon, Linda? Wie viele Monate? Wochen? Oder sind es nur Tage? Ich war sechs Jahre mit dem Mann verheiratet, also bitte erzähl du mir nicht, was er tun würde und was nicht. Du kennst die beiden nicht. Er war außer sich, als ich ihm sagte, dass ich die Scheidung wollte. Dummerweise habe ich ihn verlassen, ohne Sydney mitzunehmen, und dafür bezahle ich jetzt einen hohen Preis. Als er hörte, dass ich den Kleinen holen wollte, ist er mit ihm nach England abgehauen. Ohne mir etwas davon zu sagen. Jetzt erzählt er jedem, ich sei eine schlechte Mutter, die sich nicht für ihren Sohn interessiert, und will ihn mir nicht geben. Und das macht er natürlich nur, um mir wehzutun. Aus Rache.«
»Aber Sydney wirkt ausgesprochen glücklich bei ihm ...«
»Der Junge kennt ja Gott sei Dank auch nicht die Seiten seines Stiefvaters, die ich leider kennengelernt habe ...« Consuela schlug die Augen nieder und schauderte. »Wie lange das wohl gut gehen wird? Jedenfalls bin ich hergekommen, um mein Kind zurückzuholen, und was passiert? Sie präsentieren mir einen hinterhältigen Rechtsverdreher, der mich mit einem Trick dazu bringt, das Sorgerecht für meinen eigenen Sohn abzutreten ...«
»Einen hinterhältigen Rechtsverdreher? Wann? Wann soll das alles passiert sein? Tut mir leid, Eli, aber das klingt alles vollkommen schräg. Das muss ein gewaltiges Missverständnis sein.«
»Ein Missverständnis? Das nennst du ein Missverständnis? Linda, er will mir sogar Geld zahlen, nur damit ich mich von meinem Sohn fernhalte!« Sie zog den Scheck über zwanzigtausend Pfund aus der Tasche und hielt ihn Linda unter die Nase. »Sieh nur! Den hat er mir gegeben, bevor wir beide uns vorhin begegnet sind. Sie haben mir gesagt, ich solle das Geld nehmen und verschwinden. Meinen Sohn hierlassen. Glaubst du mir jetzt?«
»Willst du damit sagen, dass er dir Geld gezahlt hat, damit du ihm das Sorgerecht für Sydney überlässt?«
»Genau das will ich damit sagen. Und ich will das alles natürlich nicht, aber jetzt ist es zu spät, Linda. Sie haben mir irgendwelche Papiere zur Unterschrift vorgelegt, und na ja, mein Englisch ist nicht gerade perfekt, und dann kam noch die ganze Aufregung dazu. Ich dachte jedenfalls, das seien die Scheidungspapiere, und habe sie brav unterschrieben. Und dann stellt sich raus, dass es Sorgerechtsanträge sind und ich Frank damit das Recht eingeräumt habe, Sydney hierzubehalten. Ach, Linda ...« Wieder ergriff Consuela Lindas Hand. »Gott vergebe mir, aber ich wurde hinters Licht geführt. Ich glaube, ich habe meinen Sohn verkauft ...«
– 32 –
Im Trevail war Rory mit den Vorbereitungen für das romantische Abendessen befasst. Zufällig kam er am Fenster vorbei und sah Linda.
Er blieb kurz stehen und beobachtete sie. Wie sie forschen Schrittes über den Kai marschierte, gar nicht mehr die ziellose Touristin, die sie noch vor wenigen Wochen gewesen war. Er musste an den Tag denken, als er sie zum ersten Mal von genau diesem Fenster aus sah. Daran, wie die Zeit einerseits stehen geblieben und andererseits atemberaubend weitergeprescht war, wie ausgelassene, wilde Pferde über einen traumhaften Strand.
Die
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