Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
begrüßte sie dann vollkommen anders als nur Stunden vorher. Sie nahm sie so fest in den Arm, dass Linda kaum noch Luft bekam, drückte ihr niedergeschlagenes, tränennasses Gesicht an ihres und löste sich dann nur langsam wieder von ihr. Sie nahm ihre Hand, führte sie in eine ruhige Ecke hinter einer großen Topfpflanze, drückte sie in einen der Sessel und sah sich so gehetzt in dem Raum um, als würde sie von der Mafia verfolgt. Dann fing sie an zu reden.
»Es tut mir so leid wegen vorhin ... Es war ...« So kannte Linda ihre Cousine überhaupt nicht. Ihre Miene wirkte gepeinigt und leicht selbstmitleidig. »Mir ging es vorhin gar nicht gut, aber jetzt habe ich mich etwas beruhigt, und ich wollte dir unbedingt sagen, wie sehr ich mich freue, dich wiederzusehen!«
Wieder nahm sie Linda überschwänglich in den Arm, und als Consuela sich dieses Mal von ihr löste, lächelte sie und sagte: »Wie geht es deinen Schwestern? Nein, sag nichts, lass mich raten: Sie sind beide verheiratet und fett und haben je achtzehn Kinder!«
Diese Bemerkung war typisch für die »gute alte« Eli, die sich stets gerne auf Kosten anderer amüsierte. Linda fand die Sprache wieder.
»Noch nicht ganz, Eli, aber sie arbeiten fleißig darauf hin. Catalina hat zwei Kinder, die ihr jeweils fünf zusätzliche Kilos beschert haben, und Inez wird heiraten, sobald sie Javier Cortez davon überzeugt hat, dass eine Bar kein Club ist, den man täglich frequentieren muss. Aber was ist mit dir, Eli? Was machst du hier? Willst du Raphael besuchen?«
Consuelas Lächeln erfror.
»Raphael ist hier?«, keuchte sie überrascht.
»Wusstest du das nicht? Er wohnt hier. Also, nicht genau hier, aber ganz in der Nähe. Schon seit zwei Jahren. Vor drei Jahren kam er her, um nach dir zu suchen, soweit ich weiß. Dich hat er ja offensichtlich nicht gefunden, aber dafür Judy.«
»Judy?«
»Seine Frau.«
Consuela fiel fast vom Stuhl.
»Mein Bruder ist verheiratet! ¡Dios mío! Sonst noch was?«
»Wusstest du das denn nicht?«
»Ich hatte keine Ahnung ... Er hat dir wohl nicht erzählt, dass wir schon eine ganze Weile nicht mehr miteinander reden. Wir hatten ... äh ... geschäftliche Differenzen. Vor ein paar Jahren. In Barcelona. Ich konnte wirklich nichts dafür, aber irgendjemandem musste er wohl die Schuld geben ... Aber gut ...« Consuela schaltete wieder ihr Lächeln ein. »Ist das der Grund, weshalb du hier bist, Lieblingscousine? Um Raphael zu besuchen? Ihr habt also noch Kontakt?«
»Eigentlich nicht, dass ich ihn sehe, ist gewissermaßen eine positive Nebenwirkung. Ich bin wegen Beau hier, der auch erst mal eine Weile hierbleibt. Ob du’s glaubst oder nicht, er hat auch gerade geheiratet. Raphael kam her, um dich zu suchen, Beau kam her, um Raphael zu suchen ... Lange Geschichte, aber mit Happy End, weil er so nämlich Pip kennengelernt hat, Judys Tochter ...«
»Mein Bruder ist mit Beaus Schwiegermutter verheiratet?« Ihre Augen weiteten sich. »Wie alt ist diese Frau?«
»Fast doppelt so alt wie er, aber du müsstest sie mal sehen, Eli, sie ist wunderschön, und sie gibt ihm das Gefühl, angekommen zu sein ...«
»Kein Wunder, schließlich könnte sie seine Mutter sein!«, echauffierte sie sich.
»Mach dir keine Sorgen, Eli, freu dich für ihn. Er ist sehr glücklich«, beeilte Linda sich, ihr zu versichern. »Aber du hast mir immer noch nicht verraten, warum du hier bist. Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut? Du sahst ziemlich durcheinander aus heute Nachmittag, und dann bist du einfach so abgerauscht ...«
Sie antwortete nicht sofort und spielte geistesabwesend mit ihrem Armband.
Als sie wieder aufsah, war ihr Blick ernst und verkniffen.
»Kurz bevor wir uns vorhin über den Weg liefen, hatte ich ein Gespräch mit meinem Exmann über die Details unserer Scheidung ... Ich habe mich wirklich gefreut, dich zu sehen, Linda, aber als du dann erzählt hast, dass du im Cockleshell arbeitest ... und dass du mit Rory zusammen bist ...«
»Du kennst Rory?«
Consuela nickte.
»Ach, Linda. Ich wollte dich nicht mit dieser Geschichte belasten, das ist alles so kompliziert, aber jetzt muss ich doch ... Ich habe nämlich einen Sohn ...«
An dieser Stelle fiel bei Linda endlich der Groschen.
»Sydney?«, fragte sie ungläubig. » Du bist Sydneys Mutter?«
Linda wurde ganz schwindelig.
Ihre Eli, die Cousine, die sie geliebt und verehrt und verloren hatte, war Franks Ex. Die Frau, über die nur im Flüsterton gesprochen wurde. Die Frau,
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